
Yvain und sein Löwe besiegen den Drachen. Darstellung aus dem 15. Jahrhundert zu Yvain ou Le Chevalier au lion
Sir Ywain (auch Iwain, Yvain, Owain, Uwain(e) oder Ewaine) war einer der Ritter der Tafelrunde aus der Artussage. Meist ist er der Sohn von König Urien von Gorre und Morgan le Fay. Sein reales Vorbild war Owain mab Urien, König von Rheged während des 6. Jahrhunderts.
Seine wichtigste Rolle hatte er im höfischen Roman Yvain ou Le Chevalier au lion (franz.: für Yvain oder der Löwenritter) von Chrétien de Troyes, welcher im 12. Jahrhundert erschien. Darin, und in anderen Sagen, trifft er auf unterschiedliche Drachen.
Yvain ou Le Chevalier au lion[]
In dem Roman sinnt Yvain auf Rache für seinen Cousin Calogrenant, der vom Ritter Esclados neben einem magischen Stein im Wald Brocéliande getötet wurde. Yvain tötet Esclados und verliebt sich in dessen Witwe Laudine. Mithilfe von deren Dienerin Lunete gewinnt er ihr Herz und heiratet sie[1].
Doch Gawain überzeugt ihn, Laudine zu verlassen und auf Abenteuerreise zu gehen. Laudine besteht aber darauf, dass er nach einem Jahr zu ihr zurückkehrt. Yvain aber verliert sich in seinen Abenteuern und kehrt zu spät zurück, woraufhin sie ihn verlässt[1].
Yvain wird krank vor Liebeskummer, doch eine Edelfrau kann ihn heilen. Er beschließt, sich selbst zu finden und Laudine zurückzugewinnen. Auf seinen Abenteuern rettet er einen Löwen vor einem Drachen (fr. serpant), fortan ist der Löwe sein treuer Begleiter. Mit seiner Hilfe kann er einen Riesen, drei Ritter und zwei Dämonen töten. Er rettet Lunete schließlich von einem Scheiterhaufen und kann mit ihrer Hilfe Laudine ein zweites Mal für sich gewinnen[1].
Kemp Owyne[]
Der titelgebende Held der schottischen Ballade Kemp Owyne ist höchstwahrscheinlich auch Ywain. Die Ballade handelt von einem Mädchen, das von seiner bösen Stiefmutter in einen Drachen verwandelt wird[2].
Danach kommt Kemp Owyne dreimal zu ihr, und jedes Mal bietet sie ihm einen Gegenstand im Austausch für einen Kuss an. Mit dem dritten Kuss wird sie erlöst, und Kemp Owyne verflucht die böse Stiefmutter in eine Drachengestalt[2].
Ähnliche Sagen[]

Darstellung des Löwenritter-Motivs auf der Valþjófsstaður-Tür, ca. 1200
Auch Heinrich dem Löwen wird die Rettung eines Löwen vor einem Drachen zugesagt. Laut der Heinrich-Sage (13. Jahrhundert) begegnete dieser auf seiner Pilgerfahrt nach Jerusalem im Jahr 1173 im Wald einem Löwen, der gegen einen Drachen kämpfte. Er trat dem Löwen zur Seite und tötete den Drachen. Laut den Gebrüdern Grimm tat er dies, weil "der Löwe insgemein für ein edles und treues Tier gehalten wird und der Wurm für ein böses, giftiges"[3]. Dies spiegelt die Gut-Böse-Dualität wieder, die im Mittelalter häufig auf Tiere angewendet wurde[4].
Zusammen mit dem Löwen kehrte Heinrich nach Braunschweig zurück, wo ihm sein neuer Begleiter den Beinahmen "der Löwe" einbrachte. Es gibt jedoch auch andere Sagen, nach denen er dem Löwen nur einen Splitter aus dem Fuß gezogen hatte, ähnlich Androklus aus einer römischen Sage[4].
Bei dem Ritter, der einen Drachen tötet, der gegen einen Löwen kämpft, scheint es sich um ein altes Motiv zu handeln, das in abgewandelter Form auch in der Thidrekssaga (13. Jahrhundert) vorkommt. Die Thidrekssaga unterscheidet sich aber von den meisten Versionen (mit Ausnahme des Wolfdietrich-Epos), da in dieser der Drache sowohl den Löwen als auch Thidrek in seinen Unterschlupf trägt, wo die Jungdrachen den Löwen verschlingen, bevor Thidrek alle Drachen tötet[5]. Eine der ältesten bekannten Darstellungen ist ein Motiv auf der Tür der Kirche von Valthjofsstad (Valþjófsstað) auf Island, die um 1200 entstand[6][7]. Ursprünglich geht es vermutlich auf die Sage von Androklus und die davon abgeleitete Sage um Hieronymus zurück[8], im 11. Jahrhundert kam dann die Version mit dem Drachen auf[9].

Der Löwen kämpft gegen den Drachen, Illustration zu Guy of Warwick, 14. Jahrhundert
Ívens saga, eine altnordische Übersetzung des Ywain-Romans, und die Thidrekssaga sind vermutlich die Inspiration für zahlreiche Inkarnationen des Löwenritter-Motivs in isländischen riddarasögur (Ritter-Sagas). Beispiele sind Konráðs saga keisarasonar, Sigurðar saga þǫgla, Vilhjálms saga sjóðs[10][11], Ectors saga, Kara saga Kárasonar und Grega saga[5]. Daneben taucht es auch in der isländischen Folklore des 19. Jahrhunderts auf, in Vigkans saga kúabirðis, in der der Held alledings nicht in einem Drachenkampf hilft, sondern bei der Geburt der Löwenjungen[8]. All diese Sagas nutzen das Motiv jedoch nur als ein weiteres Abenteuer für den jeweiligen Helden, der ursprüngliche Kontext aus Ívens saga geht verloren[5]. In den riddarasögur nimmt der Löwe als treuer Begleiter hingegen die Rolle der Belohnung für den Ritter ein, die in früheren Vorzeitsagas Frauen und Schätze hatten. Damit vermeiden die riddarasögur, dass ihre Protagonisten sich unritterlich verhalten und nur auf Ruhm und Reichtum aus sind, ohne ihnen eine Belohnung für den Sieg über den Drachen zu verwehren[12].
Interessant ist hierbei, dass Ívens saga für den Drachen das Wort ormr verwendet, was Schlange bedeutet. Thidrekssaga und die zahlreichen späteren isländsichen Sagen bezeichnen die Kreatur hingegen als flugdreki, Fliegender Drache. Sigurðar saga þǫgla zeigt eine weitere Parallele zur Thidrekssaga, da sowohl Sigurðar als auch Thidrek beschließen, den Löwen zu retten, da er ihr Wappentier ist[5].
Der Volkskundler Lutz Röhrich sieht in dem Löwenritter-Motiv den Ursprung des Märchen-Motivs der treuen Tiere. Hierbei stehen dem Helden eines Märchens meist drei oder vier Tiere zur Seite, wobei es sich oft um einen Löwen, Bären und Wolf, manchmal noch zusätzlich einen Fuchs oder Hasen handelt. Beispiele sind die Märchen Die zwei Brüder[13], Von den Räubern und der Prinzessin, die einem Drachen versprochen war, Vom Prinzen, der dem Drakos gelobt wurde oder Der Drachentödter.
Quellen[]
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Chretien de Troyes (ca. 1180-1190), Arthurian Romances (Erstausgabe), Penguin Classics (1991), S. 337, ISBN 0140445218
- ↑ 2,0 2,1 James Francis Child (1882), The English and Scottish Popular Ballads, Loomis House Press (2003), S. 306, ISBN 978-0970702050
- ↑ Heinrich der Löwe in Jacob & Wilhelm Grimm (1816), Deutsche Sagen, Band 1, Nicolai
- ↑ 4,0 4,1 Thomas Ostwald (2015), Da kratzte der König der Tiere vergeblich, Der Löwe
- ↑ 5,0 5,1 5,2 5,3 Marianne E. Kalinke (2012), Ectors saga: An Arthurian Pastiche in Classical Guise, Arthuriana Vol. 22, No. 1, Special Issue on Old Norse-Icelandic Arthurian Literature, S. 64-90, https://www.jstor.org/stable/23238936
- ↑ George Stephens (1873), On a runic door from Iceland, Archaeologia Scotica
- ↑ Svend Grundtvig (1853), Danmarks Gamle Folkeviser, vol. 1, Nabu Press, ISBN 9781247207162
- ↑ 8,0 8,1 Marianne E. Kalinke (1994), The Cowherd and the Saint: The Grateful Lion in Icelandic Folklore and Legend, Scandinavian Studies, Vol. 66, No. 1, https://www.jstor.org/stable/40919618
- ↑ Gottfried Baist (1911), Der dankbare Löwe, Romanische Forschungen 29. Bd., 1. H., S. 317-319, https://www.jstor.org/stable/27935772
- ↑ Xenja von Ertzdorff, Rudolf Schulz, Winfried Baumann (1994), Die Romane von dem Ritter mit dem Löwen, Rodopi, ISBN 9789051835687
- ↑ Ívens saga in Marianne E. Kalinke (1999), Norse Romance II: The Knights of the Round Table, D.S. Brewer (2012), ISBN 978-1843843061
- ↑ Robert E. Cutrer (2012), The Wilderness of Dragons: The reception of dragons in thirteenth century Iceland, Masters Thesis, Háskóli Íslands
- ↑ Lutz Röhrich (2000), Drachen - gestern und heute, Österreichische Zeitschrift für Volkskunde, Ausgabe 103, S. 183-194