Yngvars saga víðförla ist eine isländische Saga aus dem frühen 13. Jahrhundert. Die Saga berichtet von der Reise des schwedischen Häuptlings Yngvar Akason nach Osten durch die Kiewer Rus (non.: Gardarike) und andere, exotischere Länder. Während der erste Teil, der in Schweden und Gardarike spielt, auf historischen Fakten zu basieren scheint, enthält der zweite Teil überwiegend phantastische Elemente[1].
Jaculus[]
An einer Stelle, kurz nachdem sie die dem Autor bekannten Länder verlassen haben, kommen Yngvars und seine Männer in ein Land, das voll von schlafenden Drachen (non.: ormr, Schlangen) und deren Gold ist. Yngvars Gefährte Valdimar entdeckt diese unter dem Halbmond. Mit seinem Speer hebt er einen goldenen Ring an, weckt dabei aber versehentlich einen der kleineren Drachen (non.: yrmlingar), der widerum die anderen Drachen erweckt. Als letztes erwacht der Jaculus (non.: Jakúlus), der Valdimar verfolgt und auf Yngvar und seine Männer zufliegt. Der Drache (non.: dreki) speit so viel Gift, dass er damit ein ganzes Schiff mitsamt der Besatzung, unter der zwei christliche Priester waren, zerstört. Danach fliegt er zurück über den Fluss[2][3][1].
Drachenkampf[]
Weiter im Osten locken Yingvar und seine Gefährten einen Drachen (non.: dreki) aus seinem Versteck, um seinen Schatz zu stehlen. Sie warten, bis der Drache zum Wasser kriecht um zu trinken. Um ihn aufzuhalten lassen sie das Bein eines Riesen auf seinem Pfad liegen, doch der Drache verschlingt dieses in einem Bissen ohne langsamer zu werden. Dann streuen sie Salz aus, wodurch der Drache drei Mal zum Wasser zurückkehren muss, um seinen Durst zu stillen[2][4].
Als sie mit dem Schatz flohen sahen sich einige Männer entgegen Yngvars Rat nach dem Drachen um. Dieser stieß ein lautes Pfeifen aus und rollte sich um sein Gold, und die Männer fielen tot um[2][3].
Siggeus Geschichte[]
Nicht lange nach dem Diebstahl des Schatzes kommt Yngvars Truppe an ein Schloss, und einer seiner Männer, ein Heide namens Soti, beschließt, dort zu übernachten. Nachts erscheint ihm der Teufel in Menschengestalt und erzählt ihm folgende Geschichte:
"Es war einmal ein starker Mann namens Siggeus, der drei Töchter hatte und diese mit viel Gold beschenkte. Er starb dort wo ihr den Drachen gesehen habt, und seine älteste Tochter neidete den anderen ihre Schätze und beging kurz darauf Selbstmord. Die mittlere Tochter tat das gleiche, und so erbte die jüngste Tochter den ganzen Reichtum ihres Vaters. Selbst nach ihrem Tod behielt sie die Kontrolle über Siggeus' land und benannte es nach ihm[2][5].
Jede Nacht läd sie Dämonen in ihre große Halle ein, und ich bin einer von ihnen. Drachen fraßen die Körper des Königs und seiner Töchter, und manche glauben, dass sie selbst in Drachen verwandelt wurden. Du, Soti, als ungläubiger Mann, musst ebenfalls bei uns bleiben, doch Yngvar wird durch seinen Glauben an Gott gerettet[2][5]."
Sveins Drache[]
Der dritte Teil der Saga spielt nach Yngvars Tod und handelt von seinem Sohn Svein Yngvarsson. Dieser bereist die gleichen Länder wie sein Vater vor ihm, und kommt auch an den Ort, an dem Yngvar dem Jakulus begegnet ist. Sein Gefährte Ketil, der bereits mit Yngvar gereist ist, erzählt ihm, was ihnen an diesem Ort wiederfahren ist. Also befiehlt Svein seinen Gefährten, das Schiff zu verlassen und en Drachen zu konfrontieren[2][5].
Sie verstecken sich in einem Dickicht nahe dem Unterschlupf des Drachen. Svein schickt Späher aus, und diese finden den Jakulus schlafend vor, um eine große Gruppe kleinerer Drachen geringelt. Wieder versucht einer der Männer, mit einem Speer einen Goldring aufzuheben und weckt dadurch einen der kleinen Drachen, der wiederum alle anderen Drachen weckt. Doch Svein schießt einen geweihten brennenden Pfeil direkt in den Rachen des Jakulus, so dass dieser sich direkt in das Herz der Kreatur bohrt. Sofort stürzt der Drache zu Boden und Svein und seine Männer preisen Gott[2][5].
Hintergrund[]
Galina Glazyrina konnte in der Jaculus-Episode mehrere Motive der Altgermanischen Literatur identifizieren, z.B. den Halbmond, der einen Schatz anzeigt (Boberg 202, N532.1[6][7]), den Drachen, der den Schatz hütet (Boberg 39, B11.6.2[6]), den Drachenatem aus Feuer (Boberg 38, B11.2.11[6]) und Gift (Boberg 38, B11.2.11.1[6]) und den fliegenden Drachen (Boberg 38, B11.4.1). Außerdem impliziert die Anwesenheit kleinerer Drachen das Motiv, dass aus einem kleinen Wurm ein Drache wird, wenn er auf Gold liegt (Boberg 38, B11.1.3.1.1[6])[1]. Dieses Motiv ist z.B. auch bei Ragnar loðbrók und dem Lagarfljótwurm vorhanden. Ein weiteres Motiv, der Mann der zum Drachen verwandelt wird (Boberg, 38, B11.1.3.1.1[6]), kommt in der Geschichte von Siggeus vor[1].
Paul Acker vermutet, dass die Drachenepisode von Sigurds Kampf gegen Fafnir inspiriert ist. In dieser lauert der Held dem Drachen ebenfalls auf seinem Weg zum Wasser auf[3]. Eine weitere ähnliche Geschichte ist die von Beowulf, in der ebenfalls jemand zufällig den Drachenschatz entdeckt und ein kleines Stück daraus stielt, womit er den Zorn des Drachen auf sich und die Menschen zieht[1].
Der Jaculus ist eine Schlange, die durch Isidor von Sevillas Etymologiae bekannt wurde. Jedoch ist unklar, ob dem Autor von Yngvars saga tatsächlich eine Kopie davon vorlag[8].
Ein weiteres Element aus der mittelalterlichen Naturwissenschaft findet sich in dem bestohlenen Drachen. Thomas von Cantimpré beschreibt in seinem Liber de Natura Rerum (1225-1241), dass Menschen den direkten Blick des Drachen nicht aushalten und manche sogar daran sterben. Er beschreibt auch, dass man einen Drachen bekämpfen kann, indem man ihm Kalbsfleisch, eingelegt in gelöschten Kalk, zu fressen gibt[9]. Dies ist eine häufige Methode in Drachensagen, einen Drachen zu töten oder zu schwächen, und könnte die Inspiration für die Methode mit dem gesalzenen Riesenfleisch sein[1].
In Siggeus Geschichte wird erwähnt, dass der tote König sich in einen Drachen verwandelt haben könnte. Hierbei handelt es sich um ein Element, das in isländischen Sagas manchmal vorkommt, meist in Kombination mit großen Reichtümern. In den meisten Fällen, z.B. bei Fafnir, ist es jedoch ein lebender Mensch, der sich verwandelt. Dass der Drache die Leichen verschlingt könnte inspiriert sein vom Leichendrachen Nidhöggr der nordischen Mythologie[10].
Quellen[]
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 Galina Glazyrina (2006), Dragon Motifs in Yingvars saga víðförla in John McKinnell, David Ashurst, Donata Kick (2006), The Fantastic in Old Norse/Icelandic Literature: Sagas and the British Isles, Centre for Medieval and Renaissance Studies, Durham University, ISBN 9780955333507
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 Oddr Snorrason (12. Jahrhundert), Yngvars saga víðförla
- ↑ 3,0 3,1 3,2 Paul Acker (2012), Death by Dragons, Viking and Medieval Scandinavia Vol. 8, https://www.jstor.org/stable/45020180
- ↑ Guðni Jónsson (1954), Fornaldar Sögur Norðurlanda, Íslendingasagnaútgáfan
- ↑ 5,0 5,1 5,2 5,3 Hermann Pálsson, Paul Edwards (1989), Vikings in Russia: Yngvar's Saga and Eymund's Saga, Edinburgh University Press, ISBN 978-0852246238
- ↑ 6,0 6,1 6,2 6,3 6,4 6,5 Inger Margrethe Boberg (1966), Motif-Index of Early Icelandic Literature, Munksgaard
- ↑ Bodil Nildin-Wall, Jan-Inge Wall (1996), Det ropades i skymningen... Vidskepelse och trolldomstro på Gotland, Institutet för språk och folkminnen, ISBN 978-9185740079
- ↑ Galina Glazyrina (2003), On Heliopolis in Yngvars saga víðfõrla in Rudolf Simek, Judith Meurer (2003), Scandinavia and Christian Europe in the Middle Ages: Papers of the 12th International Saga Conference, Universität Bonn
- ↑ Thomas von Cantimpré (1225 - 1241), Liber de natura rerum
- ↑ Robert E. Cutrer (2012), The Wilderness of Dragons: The reception of dragons in thirteenth century Iceland, Masters Thesis, Háskóli Íslands