
Der Venediger von Oberstdorf, Zeichnung von Brigitte Rößle
Venedigermännlein (auch Venedigermandln, Vennizianer, Venezianer, Venetianer, Walhen, Wahlen, Wälsche oder Welsche) werden in mitteleuropäischen Bergmannssagen fremde Goldsucher genannt. Diese Sagen basieren auf realen ausländischen Erz- und Mineraliensuchern (nicht nur aus Venedig), denen aber im Laufe der Zeit immer mehr magische Fähigkeiten zugeschrieben wurden. Auch als Drachenbezwinger treten sie auf.
Auftreten in Drachensagen[]
Drache von einem Venediger-Männle "ausgeführt"[]
Eine Sage, die Karl August Reiser in seinem "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" niedergeschrieben hat, berichtet von einem Männlein aus Venedig, das oft nach Bolsterlang im Oberallgäu kam und dort übernachtete. Es hatte einen Spiegel, der einem verborgene Schätze zeigte. Einmal durften auch die Anwohner von Bolsterlang in den Spiegel sehen, wobei sie drei Schätze sahen: einen bei Maiselstein, einen bei Sonderdorf und einem auf dem Hügel Spek bei Bolsterlang[1].
Das Männlein selbst aber hatte diesmal anderes im Sinn. Es musste auf den "G'säßtobel" oberhalb Sigiswang, wo zu dieser Zeit ein schrecklicher Drache hauste. Wenn es ihm gelinge, diesen Drachen "auszuführen", wäre es sein Leben lang reich genug. Darum hatte es vor, mittags um 12 Uhr dem Drachen entgegenzutreten, und wenn alles gut ginge, würde es ein Zeichen geben. Doch gerade zu dieser Mittagsstunde kam ein großes Gewitter auf, und als der Sturm endlich nachließ, sah man etwas durch die Lüfte ziehen. Von da an kam das Männlein nie mehr, doch die Leute waren vor dem Drachen gerettet[1].
Venedigermännlein reitet einen Drachen[]
Eine andere Sage erzählt von einem Drachen, der vor langer Zeit im Trettachtal lebte und von Zeit zu Zeit nach Oberstdorf kam, um die Hälfte der Einwohner zu verschlingen. Man vermutete, dass er im Wurmloch oberhalb der Alpe Oberau lebte. Später wurde vermutet, dass der Drache ein Sinnbild für die Pest war, die im 16. Jahrhundert mehr als die Hälfte der Oberstdorfer dahinraffte[2].
Es waren aus Angst bereits viele Familien fortgezogen, als ein Venediger nach Oberstdorf kam und mit den Bauern im Wirtshaus zusammensaß. Als er vom Drachen hörte, versprach er, sie von diesem zu befreien, aus Dank, weil er und seine Landsmänner immer so gastfreundlich aufgenommen wurden[2].
Die Oberstdorfer wollten dem Schauspiel natürlich zusehen, woraufhin der Venediger sie auf die Zwingbrücke bei Dietersberg bat. Unter der Brücke floss, weil es Hochsommer war, nur ein kleines Rinnsal. Doch plötzlich schossen Wassermassen auf die Brücke zu, als ob es ein Gewitter gegeben hätte. Auf diesem Wasserschwall kam auch der Venediger an, der mit der Peitsche in der Hand einen riesigen Drachen ritt. Mit Erstaunen sahen die Oberstdorfer, wie folgsam der Drache dem Venediger gehorchte. Obwohl er eine fremde Sprache sprach, erkannten die Menschen am Tonfall, dass er den Drachen übel beschimpfte[2].
Der Drache im Weissbrunner See[]
Vor langer Zeit lebte im Weissbrunner See ein Drache, der alles Vieh verschlang, das sich zu nah an den See wagte. Eines Tages kam ein "Bettelmannl" zu einem Bauern, der ihm von dem Drachen erzählte. Das Männchen bot an, das Tal von dem Drachen zu befreien, und der Bauer bot eine Bezahlung von 300 Gulden dafür an. Der Bauer gab ihm sofort 150 Gulden, die andere Hälfte sollte es nach getaner Arbeit erhalten[3].
Bevor das Männlein losging trug es dem Bauern auf, dafür zu sorgen, dass sich zwischen 11 und 12 Uhr niemand am Bach aufhält. Nachdem der Bauer das versprach, ging das Männlein mit einem roten Zaumzeug ans Wasser. Sogleich kam der Drache, und das Männlein legte ihm das Zaumzeug an. Dann ritt es auf dem Drachen davon. Weder Drache noch Bettler wurden jemals wieder gesehen, und er holte sich auch nie die andere Hälfte seiner Belohnung vom Bauern ab[3].
Der Drache und das Venedigermännlein[]
Einst lebte in Sonntag im Oberen Walsertal ein schrecklicher Drache, der Menschen und Vieh verschlang. Da kam ein Venedigermännlein, setzte sich auf den Drachen und ritt durch den Lutz davon[4].
Der Drachenreiter[]
Im Grüblsee, dessen Ausfluss in die Trisanna fliesst, lebte einst ein Drache, der die Herden schädigte. Niemand wagte ihn zu bekämpfen, bis ein fahrender Schüler kam und ihn wie ein Roß zügelte. Dann ritt er den Grübelbach mit ihm hinab. Als er bei Patterich unter der Brücke vorbeiritt, jubelte er laut auf. Der Drache wurde danach nie mehr gesehen[5].
Der Lindwurm von Oberwölz[]
Hauptartikel: Der Lindwurm von Oberwölz
In dieser Sage kommt das Männlein immer einen Tag, bevor etwas mit dem Lindwurm passiert, ins Dorf, und bezeichnet den Drachen als sein "Ross". Anders als in anderen Sagen hat das Männlein aber eine eher passive Rolle und ist nicht für die Vertreibung des Drachen verantwortlich.
Das Goldgräbermännlein[]

Die Lauterbrunner finden statt Gold ein Ungeheuer, Paul Kammüller, 1910
Einst kam ein uraltes Männlein vom Steinenberg und Hohenalp in das Dorf Lauterbrunnen im Kanton Bern. Es hatte einen Korb dabei, dessen Inhalt die Menschen nicht erfuhren. Als es später wieder kam, teilte es mit, dass es nun zum letzten Mal im Dorfe gewesen sei. Doch es habe die Stelle, an der es gegraben hatte, mit seinem Werkzeug markiert, wer also wolle, könne auf dem Dürlocherhorn sein Glück versuchen. Wer mit dem Pickel des Männchens an die Felswand klopft, dem würde sich der Zugang zu einem Goldschatz auftun. Doch als drei Männer den Berg erklommen und die Stelle fanden, war der Pickel des Männchens nirgends zu sehen. Stattdessen glotzte sie eine riesige Echse an, und sie flohen wieder ins Dorf[6].
Hintergrund[]
Die Vorstellung von zauberkundigen Wesen, die in der Lage sind, Drachen zu zähmen und zu reiten, kommt auch in den Sagen um Pilatusdrachen (Schweiz)[7], Pozoj (Kroatien), Sárkányok (Ungarn) und Balauri und Zmei (Rumänien) vor[8].
Siehe auch[]
- Walen in der Wikipedia
Quellen[]
- ↑ 1,0 1,1 K. A. Reiser (1914), Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus, hansebooks (2016), ISBN 978-3741108457
- ↑ 2,0 2,1 2,2 Oberstdorf-Lexikon: Venedigermännlein reitet einen Drachen
- ↑ 3,0 3,1 Ignaz Zingerle (1850), Sagen, Märchen und Gebräuche aus Tirol, Nabu Press (2012), ISBN 978-1276139267 via Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde, Bände 1-2, S. 181-182 Referenzfehler: Ungültiges
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-Tag. Der Name „Zingerle“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. - ↑ Der Drache und das Venedigermännlein in Franz Josef Vonbun (1858), Die Sagen Vorarlbergs, Wagner
- ↑ Der Drachenreiter in Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg (1861), Deutsche Alpensagen, W. Braumüller
- ↑ Hermann Hartmann, Rudolf Münger (1910-1913), Berner Oberland in Sage und Geschichte, Band 1, S. 56
- ↑ Von Drachen und Lindwürmen in Ludwig Bechstein (1930), Deutsches Sagenbuch
- ↑ Suzana Marjanić (2010), Dragon and Hero, or How to Kill a Dragon –on the Example of the Legends of Međimurjeabout the Grabancijaš and the Dragon, Studia mythologica Slavica, Vol. 13, Issue 127, https://doi.org/10.3986/sms.v13i0.1644