Drachen Wiki
Advertisement
Vernichtung des Leviathan

Der Leviathan ist ein ähnliches Seemonster aus der Bibel

Tannin (he.: תנין‎, ar.: التنين‎, tinnin, uga: 𐎚𐎐𐎐, Tnn, ausgesprochen: Tunannu[1], arc.: תַּנִּינָא‎ / ܬܱܢܺܝܢܳܐ‎, tannīnā) ist ein hebräisches Wort, das für gewöhnlich als Drache, Schlange, Wal oder Seeungeheuer übersetzt wird. Im modernen Hebräisch bezeichnet das Wort Krokodile.

Etymologie[]

Ursprünglich stammt das Wort vermutlich vom akkadischen 𒆗𒉌𒈾 (akk.: danninu) ab, das eine Jenseitswelt beschreibt. Dieses geht wiederum zurück auf das Proto-Semitische *dnn bzw. *tnn[2].

Bereits in der Septuaginta wurde das Wort תנין‎ meist als Drakon übersetzt, teilweise auch als Ketos (Wal), während die Vulgata des Hieronymus neben deren lateinischen Varianten Draco und Cetus auch die Wörter Coluber (lat.: Schlange) und Lamia verwendet[3].

Die Begriffe Drakon und Draco werden in den jeweiligen Sprachen für Würgeschlangen und Schlangen im mythischen Kontext verwendet, entwickelten sich aber im Laufe der Zeit zu den modernen Wörtern für Drache in vielen europäischen Sprachen[4]. Abgeleitet davon wird das Wort auch in vielen späteren Bibelübersetzungen, z.B. in Englisch oder Deutsch, als Drache bzw. Dragon übersetzt.

Durch eine Verwechslung mit dem Wort תַנִּים (tannim, dt. Schakale), wurden auch Erwähnungen von Schakalen in der Bibel teilweise als "Drache" oder Sirene übersetzt, was bereits in der Septuaginta und Vulgata vorkommt[5]. Ein Beispiel hierfür ist Jeremia. Der Hebräische Text beschreibt, dass Babylon ein Ort werden wird, an dem Schakale (tannim) leben, doch einige Übersetzungen geben Babylon als Wohnort von Drachen wieder[6]. Vermutlich basierend auf einer solchen Bibelübersetzung gibt auch Vinzenz von Beauvais in seiner Speculum naturale (1481) an, dass der Ort des alten Babylon heute von Drachen bewohnt wird, was auch Conrad Gessner in seinem Schlangenbuch zitiert[7][8][9]. Auch andersherum übersetzt z.B. die King James Bible תנין‎ mit jackal (en. für Schakal)[5]. Auch manche Drachensagen, z.B. die Sage der heiligen Quiricus und Julitta, greifen das Motiv auf.

Durch diese Falschübersetzung wurde die Bedeutung des Drachen in der christlichen Mythologie von einem Seemonster und Gegenspieler Gottes ausgeweitet, so dass sie auch Landschlangen umfasst, die in abgelegenen Orten leben. So wurden sie zu einem Symbol für Apostasie und Isolation von Gott. Jedoch waren diese Drachen auch überwindbare Gegner für menschliche Heilige (im Gegensatz zum mächtigen Leviathan, der nur von Gott überwunden werden kann), wodurch sie den Weg bereiteten für spätere christliche Drachenlegenden[3].

Die so entstandene Assoziation von Drachen mit Schakalen und damit auch Hunden könnte auch der Ursprung der Darstellung des Höllenschlundes als Hundemaul sein[10].

Hebräische Mythologie[]

Das Wort tannin bzw. dessen Plural tanninim (תַּנִּינִים) wird in den biblischen Büchern Genesis (1:21), Exodus (7:9–10:12), Deuteronomium (32:33), Psalme (74:13, 91:13, 148:7 und möglicherweise 44:20[11]) Hiob (7:12), Ezechiel (29:3, 32:2), Jesaja (27:1, 51:9) und Jeremia 51:34 erwähnt. In Genesis sind sie eine der Tierarten, die Gott am fünften Tag erschuf, und in Jesaja werden sie von ihm im Zuge der Apokalypse getötet.

In den Büchern Exodus und Deuteronomium und im Psalm 91:13 wird das Wort Tannin für gewöhnlich als Schlange gedeutet. So wird z.B. in Exodus beschrieben, wie sich Aarons Stab in einen Tannin verwandelt, während später gesagt wird, dass der Stab ein nāḥāsh (נָחָשׁ, Schlange) wurde. Die Wörter tannin und nahash werden häufig austauschbar verwendet[4].

Kanaaitische Mythologie[]

Laut den Geschichten des kanaaitischen Baal-Zyklus soll Tannin ein Diener von Yammu gewesen sein, der von Baal[12] oder Anat erschlagen wurde. Er wird üblicherweise als Schlange, teilweise mit zwei Schwänzen, dargestellt[11].

Persische Mythologie[]

TanninRabbit

Der Tannin und der gehörnte Hase

Der persische Autor Zakariya al-Qazwini beschreibt, dass Alexander der Große einst auf der Tannin-Insel einen Drachen tötete, indem er ihm vergiftete Rinder fütterte, und zum Dank von den Bewohnern der Insel einen gehörnten Hasen namens Al-mi'raj geschenkt bekam[13].

Arabische Quellen[]

In vorislamischer Zeit gab es in der arabischen Kultur keine eigenen Drachenmythen[14]. Aus jüdischen Aggada wurde das Wort als tinnin (ar.: تنين) in die arabische Sprache übernommen, wo es zunächst vor allem in den Qisas al-anbiyāʾ vorkommt[15][16]. Arabischsprachige Autoren bezeichnen den Drachen als eine Art von Schlange[17][18], teilweise sogar als die größte von allen[19]. Dies erinnert an die Aussagen christlicher Gelehrter wie Augustinus von Hippo, der den Drachen sogar als das größte aller Tiere darstellt.

In der arabischen Astronomie und Astrologie wird das Sternbild Draco als al-Tinnīn bezeichnet[20], entsprechend heißen die Drachenknoten raʾs al-tennin and ḏanab al-tennin. Dies ist davon abgeleitet, dass sie der Kopf und Schwanz des Drachen Jawzahr sein sollen, der sich über den Himmel spannt.

Naturwissenschaft[]

Mittelalter[]

Der persische Arzt Abū Alī al-Husain ibn Abd Allāh ibn Sīnā (lat.: Avicenna) schrieb in seinem Kanon der Medizin (1025) über Drachen, die er auf arabisch Tinnin nennt. Dabei fasst er viele Informationen früher Autoren zusammen, vor allem Naturwissenschaftler der griechisch-römischen Antike[21].

Ibn-Sina teilt seine Drachen in vier Arten ein, die landlebenden agathnimon und alsier und die aquatischen smoraa und trogorn. Der Biss des Alsier soll das Fleisch austrocknen und so die Verletzungen schlimmer machen als bei anderen Drachen[21].

Bei Smoraa und Trogorn handelt es sich vermutlich um die Moräne und den Stachelrochen (altgr.: smyros bzw. trygon), über die Ibn-Sina seine Informationen und Namen von Aristoteles nimmt. Albertus Magnus latinisierte deren Namen später als alhartraf und haudyon (Haudem bei Conrad Gessner)[9].

Neuzeit[]

Der Geologe Thomas Hawkins identifizierte Ichthyosaurier und Plesiosaurier als Tannin, der er die hebräische Bezeichnung für die biblischen Seeschlangen als passender empfand, als die lateinischen und griechischen wissenschaftlichen Namen, die den Tieren von Paläontologen gegeben wurden[22].

Kabbala[]

Einige kabbalistische Texte beschreiben eine Kreatur namens Tanin'iver (heb. für "Blinder Drache"). Tanin'iver ist das Reittier von Lilith und ein Werkzeug des Bösen[23]. Rabbi Isaac ben Jacob ha-Cohen sieht ihn als himmlisches Gegenstück zum Leviathan[24][25][26].

Siehe auch[]

Einzelnachweise[]

  1. John Day (1985), God's Conflict with the Dragon and the Sea: Echoes of a Canaanite Myth in the Old Testament, CUP Archive, S. 5, ISBN 978-0-521-25600-1
  2. تنين, Wiktionary
  3. 3,0 3,1 Nicolas K. Kiessling (1970), Antecedents of the Medieval Dragon in Sacred History, Journal of Biblical Literature, 89(2), 167, https://doi.org/10.2307/3263046
  4. 4,0 4,1 Philip J. Senter (2019), Leviathan, Behemoth, and Other Biblical Tannînim: Serpents, Not Dinosaurs, Perspectives on Science and Christian Faith
  5. 5,0 5,1 Alfred Ely Day, Jackal, International Standard Bible Encyclopedia Online
  6. Jeremiah 51:37, BibleGateway
  7. Vinzenz von Beauvais (1481), Speculum naturale
  8. Conrad Gessner (1589), Schlangenbuch, Froschauer
  9. 9,0 9,1 Philip J. Senter, Uta Mattox, Eid. E. Haddad (2016), Snake to Monster: Conrad Gessner's Schlangenbuch and the Evolution of the Dragon in the Literature of Natural History, Journal of Folklore Research, Vol. 53, No. 1-4, doi:10.2979/jfolkrese.53.1-4.67
  10. Kathleen M. Walker (2015), Chasing the Dragon's Tale: Europe's Fascination and Representation of the Dragon from the Twelfth to the Seventeenth Century, Master Thesis, Kent State University
  11. 11,0 11,1 George C. Heider (1999), "Tannîn" in Dictionary of Deities and Demons in the Bible, 2nd ed., Wm. B. Eerdmans Publishing, ISBN 0-8028-2491-9
  12. Wolfgang Herrmann (1999), Baal in Dictionary of Deities and Demons in the Bible, Wm. B. Eerdmans Publishing, ISBN 0-8028-2491-9
  13. Zakariya al-Qazwini (1203), Zakarīyā b. Muḥammad al-Qazwīnī's Kosmographie: nach der Wüstenfeldschen Textausgabe, mit Benutzung und Beifügung der reichhaltigen Anmerkungen und Verbesserungen des Herrn Prof. Dr. Fleischer in Leipzig, aus dem Arabischen zum ersten Male vollständig übersetzt von Dr. Hermann Ethé, Fue's Verlag (1868)
  14. Ahmed K. al-Rawi (2012), The Religious Connotation of the Islamic Dragon, Fabula 53(1-2), http://dx.doi.org/10.1515/fabula-2012-0005
  15. W. M. Thackston (1978), The Tales of the Prophets of Al-Kisa'i, Twayne Publishers, S. 201, ISBN 9780805781601
  16. C. E. Bosworth (1999), The History of al-Ṭabarī Vol. 5: The Sāsānids, the Byzantines, the Lakmids, and Yemen, SUNY Press, S. 197, ISBN 9780791497227
  17. Abū Bakr Muḥammad bin Zakaryā ar-Rāzī (9. Jahrhundert), مختار الصحاح (Mukhtar Al-Sahah)
  18. Abū ʿAbd ar-Rahmān al-Chalīl ibn Ahmad al-Farāhīdī (8. Jahrhundert), كتاب العين (Kitab al-'Ayn)
  19. Muhammad ibn Mukarram ibn Ali ibn Ahmad ibn Manzur al-Ansari al-Ifriqi al-Misri al-Chazradschi Dschamaladin Abu al-Fadl (1290), لسان العرب (Lisān al-ʿArab)
  20. P. Kunitzsch, al-Tinnīn in P. Bearman, Th. Bianquis, C.E. Bosworth, E. van Donzel, W.P. Heinrichs (2012), Encyclopaedia of Islam, Second Edition, Brill, ISBN 9789004161214, http://dx.doi.org/10.1163/1573-3912_islam_SIM_7561
  21. 21,0 21,1 Abū Alī al-Husain ibn Abd Allāh ibn Sīnā (1025), القانون في الطب (al-Qānūn fī ’ṭ-Ṭibb)
  22. Thomas Hawkins (1840), The book of the great sea-dragons, Pickering, https://doi.org/10.5962/bhl.title.152648
  23. Geoffrey Dennis (2007), The Encyclopedia of Jewish Myth, Magic and Mysticism, Llewellyn Worldwide, S. 254, ISBN 9780738709055
  24. Isaac Ben Jacob Ha-Kohen (1260-1280), Treatise on the Left Emanation in Joseph Dan, Ronald C. Kiener (1986), The Early Kabbalah, Paulist Press, S. 165-183
  25. Gershom Gerhard Scholem (1927), Qabalot rabi Yaʻaqov we-rabi Yiz̲ḥaq bene rabi Yaʻaqov ha-Kohen, S. 101-102
  26. Joseph Dan (1980), Samael, Lilith, and the Concept of Evil in Early Kabbalah, AJS Review, Vol. 5, S. 17-40, doi.org/10.1017/S0364009400000052
Advertisement