Sofern es noch keine deutsche Version des Werkes gibt, bleibt der englische Name im Artikel erhalten.
Shepherd Paul (englischer Titel von Andrew Lang) ist ein ungarisches Märchen.
Handlung[]
Vor langer Zeit fand ein Schäfer, als er seine Herde weidete, ein Baby am Boden. Es war von einer bösen Person zurückgelassen worden, die sich nicht darum kümmern wollte. Der Schäfer adoptierte das Kind, nannte es Paul und gab ihm Milch. Als der Junge vierzehn wurde, war er stark genug, um Bäume auszureissen als wären sie Gras. Und so beschloss er, in die Welt zu ziehen und sein Glück zu finden[1].
Nach vielen Meilen fand er einen Mann, der Bäume kämmte als wären sie Flachs. Der Mann stellte sich als Baumkämmer vor, und sein größter Wunsch sei es, mit dem Schäfer Paul zu ringen. Paul gab sich zu erkennen und nahm die Herausforderung an. Er stieß Baumkämmer mit solcher Wucht zu Boden, dass dieser bis zu den Knien stecken blieb. Doch kaum war er wieder auf den Beinen, stieß er Paul so sehr zu Boden dass dieser bis zur Hüfte einsank. Als nächstes stieß Paul den Mann bis zum Hals in den Boden, und dieser gab sich geschlagen[1].
Baumkämmer begleitete Paul auf der weiteren Reise, und bald trafen sie einen Mann, der Steine mit seinen bloßen Händen zerbröselte als wären sie Nüsse. Er stellte sich als Steinzerquetscher vor und wünschte sich nichts mehr, als mit Schäfer Paul zu ringen. Paul nahm auch diese Herausforderung an und konnte ihn besiegen, und so schloss sich auch Steinzerquetscher den Reisenden an. Bald trafen sie Eisenkneter, der Eisen kneten konnte als wäre es Teig. Auch ihn konnte Paul besiegen und zum Mitkommen bewegen[1].
Mittags kamen sie in einen Wald. Er befahl Baumkämmer, das Essen vorzubereiten, während die anderen drei in den Wald gingen um zu Jagen. Als Baumkämmer am Feuer saß und das Essen fast fertig war, kam ein Zwerg mit spitzem Bart und verlangte etwas von dem Essen. Baumkämmer wollte ihm nichts abgeben, doch als das Essen fertig war, warf der Zwerg ihn zu Boden und aß alles auf. Als der Zwerg weg war begann Baumkämmer, neues Gemüse anzubraten, doch als die Jäger zurückkehrten war das Essen noch nicht fertig. Obwohl sie sich über das schlechte Essen beschwerten, erzählte er nichts von dem Zwerg[1].
Am nächsten Tag sollte Steinzerquetscher kochen, und am dritten Tag Eisenkneter, doch allen erging es gleich mit dem Zwerg. Am vierten Tag blieb Paul zurück, um herauszufinden, warum das Essen jeden Tag unfertig war. Als das Essen fast fertig war kam der Zwerg und Paul wollte ihn vertreiben. Der Zwerg wollte Paul packen, doch dieser griff seinen Bart und band ihn an einen großen Baum, bevor er sich wieder ans Feuer setzte und weiter kochte. Als die Jäger zurückkehrten und sehen wollten, wie es Paul ergangen war, hatte dieser bereits ein köstliches Essen für sie zubereitet[1].
Paul schalt die anderen dafür, dass sie nichtmal mit einem Zwerg fertig würden. Nach dem Essen würde er ihnen zeigen, was er mit dem Zwerg getan hat. Doch als sie an den Ort kamen, wo er ihn angebunden hat, fanden sie weder den Zwerg noch den Baum. Jedoch fanden sie die Spur des Baumes, den der Zwerg hinter sich hergezogen hatte, und folgten ihr bis zu einem tiefen Loch. Sie ließen Paul in einem Korb in das Loch hinunter, und er befahl ihnen, ihn hochzuziehen, wenn er an dem Seil zog[1].
In dem Loch fand er ein wunderschönes Tal voller Wiesen und Flüsse und ein prächtiges Schloss. Er ging durch die offene Tür hinein, doch eine schöne Jungfrau flehte ihn an, sofort wieder zu gehen. Sie erzählte, dass der Herr des Schlosses ein sechsköpfiger Drache sei, der sie entführt hatte. Doch Paul weigerte sich zu gehen und wollte auf den Drachen warten. Als dieser ankam, wurde er wütend, als er den Fremden sah[1].
Paul forderte den Drachen zum sofortigen Kampf heraus, da er es eilig hatte. Der Drache nahm an, da der Paul als Vorspeise verschlingen wollte. Er begann riesige Felsen zu fressen als wären sie Kuchen, und bot auch Paul einen an. Dieser schnitt den Felsen mit einem Holzmesser in zwei und warf beide Hälften mit all seiner Stärke auf den Drachen, wodurch er zwei der sechs Köpfe zermatschte. Mit lautem Brüllen sprang der Drache auf Paul zu und schnitt zwei weitere Köpfe ab. Dann packte er die beiden verbleibenden Köpfe und schlug sie gegen einen Felsen[1].
Als die Jungfrau vom Tod des Drachen erfuhr, dankte sie ihrem Retter. Jedoch waren ihre beiden jüngeren Schwestern noch immer in der Gewalt von noch mächtigeren Drachen. Er ließ sich den Weg zeigen, und sie gab ihm einen goldenen Stab, mit dem er das Schloss schlagen sollte. Als er dies tat, verwandelte es sich in einen goldenen Apfel, den er in seine Tasche steckte. Am Schloss des zweiten Drachen angekommen, der zwölf Köpfe hatte, erhielt er von der dortigen Prinzessin ein Hemd, das jeden doppelt so stark machte wie er war. Mit diesem konnte er auch den zweiten Drachen töten und alle zwölf Köpfe vernichten. Er verwandelte auch dieses Schloss in einen Apfel und sie reisten weiter[1].
Im dritten Schloss wurde die jüngste Prinzessin von einem Drachen mit 18 Köpfen gefangen gehalten. Doch als dieser in die Oberwelt gegangen war, hatte er 17 Köpfe hiergelassen und nur den Kopf eines kleinen Zwerges mit spitzem Bart mitgenommen. Als Paul dies erfuhr, wollte er ihn erst recht töten. Die jüngste Prinzessin gab ihm magischen Wein und ein Seidenhemd, das ihn zehnmal so stark machen würde als er war. Kaum hatte er es angelegt, kam der Drache in die Halle, und Paul forderte ihn heraus. Der Drache schwor, seine Brüder zu rächen, und suchte nach seinem Hemd und dem Wein, doch fand beides nicht[1].
Da bekam der Drache es mit der Angst zu tun, doch er sammelte schnell seine 18 Köpfe ein und griff Paul an. Dieser gab ihm einen Kinnhaken, der sechs Köpfe auf einmal abschlug. Da diese die mächtigsten Köpfe waren, fiel es ihm leicht, auch die anderen 12 Köpfe abzuschlagen. So verwandelte Paul auch dieses Schloss in einen Apfel und wollte mit den drei Prinzessinnen in die Oberwelt zurückkehren. Sie fanden den Korb, doch in diesen passten nur die drei Mädchen. Also schickte Paul sie hoch und wollte sich beim zweiten Mal hochziehen lassen. Doch als seine Gefährten die Schönheit der Frauen sahen, vergaßen sie Paul und verschwanden mit den Prinzessinnen in ein fremdes Land[1].
Paul schwor Rache für den Verrat und suchte nach einem Weg zurück zur Oberwelt. Er wanderte monatelang durch die Unterwelt, bis er an das Nest eines Greifen kam. Gerade da begann eine Wolke Feuer anstatt Wasser zu regnen, und hätte Paul nicht seinen Mantel über das Nest ausgebreitet, wären die Küken gestorben. Als der Greifenvater zurückkehrte, erzählten ihm die Küken was geschehen war und er bedankte sich, indem er Paul in die Oberwelt trug. Doch zunächst packte er noch etwas Proviant ein[1].
Er befahl Paul, wenn er seinen Kopf zur rechten Seite dreht, ihm ein Stück Rindfleisch zu füttern, doch wenn er nach rechts schaut, ihm Wein zu geben. So flogen sie drei Tage und Nächte durch, und am vierten Morgen landeten sie vor der Stadt, in die Pauls Gefährten geflohen waren. Paul ging nach einem Nickerchen in die Stadt, um die Verräter zu finden, und diese starben fast vor Angst, als sie ihn erblickten. Sie flohen und Paul befahl ihnen, nie mehr wiederzukehren. Dann verwandelte er die drei Äpfel wieder in Schlösser und heiratete die jüngste Prinzessin[1].
Hintergrund[]
Das Märchen wurde von Andrew Lang 1903 in seinem "Crimson Fairy Book" veröffentlicht. Als Quelle gibt er Elisabet Róna-Sklareks "Ungarische Volksmärchen" an[1]. Langs Version teilt tatsächlich einige Motive mit Sklareks Wie der arme Schäfer des Kaisers Tochter gewonnen hat, erzählt aber nicht die gleiche Geschichte. Ein vergleichbares Märchen bei den Brüdern Grimm ist Der starke Hans.
Dass der Drachentöter übermenschlich stark ist erinnert an das maltesische Märchen Der Drache und der starke Knabe.
Das Motiv des unterirdischen Paradieses mit einem von Drachen bewachten Schloss, in dem eine Prinzessin gefangen gehalten wird, kommt in vielen Märchen vor. Ein weiteres Beispiel wäre das Märchen von Prinz Dilâgâh in der dritten Phantasie in Aziz Efendis Muhayyelât (1796/97)[2].
Das Motiv der Gefährten, die nur die Prinzessinnen aus der Unterwelt hochziehen, aber nicht den Drachentöter, kommt auch im Schweizer Märchen Der Drachentödter, im griechischen Märchen Der Goldäpfelbaum und die Höllenfahrt, im maltesischen Die siebenköpfige Schlange und im persischen Märchen von Prinz Mohammad vor. Die Ethnographin Roslyn M. Frank vermutet, dass es sich bei den Gefährten um eine vermenschlichte Variante der Tierhelfer handelt, die in vielen Versionen des Märchens vom Bärensohn bzw. Juan Oso vorkommen[3][4], z.B. Von den Räubern und der Prinzessin, die einem Drachen versprochen war oder Der Drachentödter.
Im Schweizer Märchen kommt auch das Motiv der drei Drachenbrüder vor, von denen jeder mehr Köpfe hat als der bisherige. Auch Sebastian der Drachentöter, Wie der arme Schäfer des Kaisers Tochter gewonnen hat, Die vierzig Prinzen und der siebenköpfige Drache, Sturmheld Iwan Kuhsohn und Janni und die Draken enthalten das Motiv.
Eine weitere Parallele zu Prinz Mohammad ist die Rettung der Greifenküken, da es in dem persischen Märchen Versionen gibt, in denen der Held die Küken des Vogels Simorq vor einem Drachen rettet und zum Dank von diesem aus der Unterwelt getragen wird. Das Motiv kommt auch im rumänischen Märchen von Prâslea dem Mutigen und im bulgarischen Märchen vom heiligen Georg und der Schlange vor und stellt eines der beliebtesten Motive aus dem Bärensohnmärchen dar[3].
Quellen[]
- ↑ 1,00 1,01 1,02 1,03 1,04 1,05 1,06 1,07 1,08 1,09 1,10 1,11 1,12 1,13 Shepherd Paul in Andrew Lang (1903), The Crimson Fairy Book, Project Gutenberg (2009)
- ↑ Andreas Tietze (1948), ʿAzīz efendis Muhayyelat, Oriens, Vol. 1, No. 2, https://www.jstor.org/stable/1579001, https://doi.org/10.2307/1579001
- ↑ 3,0 3,1 Roslyn M. Frank (2021), Hunting for the Mythic Female Shaman Eagle, University of Iowa
- ↑ Adam Głaz (2019), Languages - Cultures - Worldviews, Macmillian, ISBN 978-3-030-28508-1, https://doi.org/10.1007/978-3-030-28509-8