Schlangen (gr. ὄφις ophis; lat. serpentes) sind eine Unterordnung der Schuppenkriechtiere. Sie stammen von echsenartigen Vorfahren ab. Gegenüber diesen ist der Körper stark verlängert und die Extremitäten wurden fast völlig zurückgebildet. Heute sind etwa 3000 Arten beschrieben. Mit Ausnahme der Arktis, Antarktis, Permafrostgebieten und einigen Inseln, sind sie weltweit in allen Lebensräumen anzutreffen. Schlangen spielen in der Kulturgeschichte und Mythologie (und darauf aufbauend auch in der Kunst und Literatur) eine große Rolle: So verführte in der alttestamentarischen Schöpfungsgeschichte der Bibel eine Schlange Adam und Eva dazu, die Frucht vom Baum der Erkenntnis zu kosten. Der von einer Schlange umwundene Stab des Asklepios in der griechischen Mythologie (Äskulapstab) ist bis heute das Symbol der medizinischen und pharmazeutischen Berufe.
Evolution und Körperbau[]
Alle Schlangen besitzen einen länglichen und dünnen Körper und haben, bis auf wenige Ausnahmen, ihre Gliedmaßen vollständig verloren. Lediglich bei den evolutionär gesehen primitiven Schlangen, wie beispielsweise den Roll- und Blindschlangen, sind zum Teil Reste des Beckengürtels und kurze Aftersporne zu finden. Von Art zu Art können sich die Körperformen stark unterscheiden. Einige Schlangen können eher untersetzt aussehen (dicker Körper, kurzer Schwanz; z. B. die Gabunviper – Bitis gabonica), währende andere sehr gleichmäßig nach hinten dünner werden (Raue Grasnatter – Opheodrys aestivus). Auch im Querschnitt gesehen, können sie von rund oder oval bis dreieckig variieren. Fast immer ist der Bauch abgeflacht. Die Größe ausgewachsener Schlangen schwankt artabhängig sehr stark zwischen 10 Zentimetern (bei der Schlankblindschlange Leptotyphlops carlae) und fast 10 Metern (beim Netzpython).
Muster[]
Schlangen verfügen über eine schier unendliche Zahl von Farb- und Zeichnungsvarianten. Sie umfassen alle Farben des Spektrums und können einfarbig, mit wenig gefärbten Schuppen, über Streifen-, Leiter- und Karomuster, bis hin zu komplexen Farbkombinationen reichen. Einige ungiftige Arten haben im Laufe der Evolution ein ähnliches Muster wie andere (giftige) entwickelt, um ihre Feinde zu verwirren und sich zu schützen (Mimikry). Auch bei Schlangen treten gelegentlich besondere Pigmentierungen wie Albinismus und Melanismus auf.
Geschlechtsdimorphismus[]
Ein ausgesprochen auffälliger Geschlechtsdimorphismus kommt nur sehr selten vor; so weisen zum Beispiel weibliche Kreuzottern (Vipera berus) eine eher braune bis rötliche Färbung ohne sonderlich kontrastreiches Muster auf, die Männchen sind eher grau gefärbt und ihre Zeichnung hebt sich kontrastvoll von der Grundfarbe ab. Als weiteres Beispiel seien verschiedene Schuppenformen genannt: die Weibchen der Sipo (Chironius carinatus) haben glatte Schuppen, während die der männlichen Tiere gekielt sind.
Weitere geschlechtsbedingte Unterschiede lassen sich nur im direkten Vergleich feststellen: Die Weibchen sind in der Regel etwas größer und umfangreicher als die Männchen, allerdings kann es auch umgekehrt sein. Der Schwanzansatz hinter der Kloake stellt ein gutes Unterscheidungsmerkmal dar. Während er sich bei den Männchen sehr gleichmäßig verjüngt, ist bei den Weibchen ein Absatz zu erkennen.
Unterschied zu den Schleichen[]
Da sie ebenfalls nur sehr kleine bis garkeine Beine besitzen, werden Schleichen (Anguidae) oft mit Schlangen verwechselt. Dennoch bilden die Schleichen neben den Waranartigen ein eigenes Taxon der Anguimorpha (Schleichenartige), welche zusammen mit den Leguanartigen (Iguania) den Schlangen als Schwestertaxon innerhalb der Toxicofera gegenüberstehen.
Im Unterschied zu Schleichen, die mehrere Reihen von Bauchschilden aufweisen, haben Schlangen nur eine Reihe davon. Des Weiteren weist ihr Rostralschild am unteren Rand eine kleine Kerbe auf (die sogenannte Rostralkerbe), die es ihnen ermöglicht. zu züngeln, ohne das Maul dafür öffnen zu müssen. Schleichen haben diese Kerbe nicht. Auch besitzen Schlangen keine Augenlider, ihre Augen werden komplett von einer durchsichtigen Schuppe bedeckt. Bei Schleichen ist dies anders, was man am Blinzeln der Tiere erkennen kann. Ferner sind Schleichen fähig zur Autotomie, bei Gefahr können sie ihren Schwanz abwerfen. Auch diese Fähigkeit unterscheidet sie von den Schlangen, wobei bei einigen evolutionär alten, unterirdisch lebenden Schlangenarten ebenfalls der Schwanz abbrechen kann, allerdings handelt es sich dort um einen passiven Vorgang, und zudem wächst er nicht mehr nach.
Verwandtschaft zu Drachen[]
Eine eindeutige Unterscheidung zwischen Schlangen und Drachen gibt es erst seit der Neuzeit. In der Antike wurden die damaligen Wörter, z.B. Drakon im Griechischen oder Draco in Latein, für verschiedene Arten von Schlangen verwendet[1]. Ursprünglich bezeichnete es eher mythologische Schlangen, später die Äskulapnatter und spätestens im ersten Jahrhundert den Python[2].
Ähnlich verhält es sich mit dem Wort Lindwurm, das sogar aus zwei Wörtern für Schlange zusammengesetzt ist, althochdeutsch lint und wurm, oder auch altnordisch linnr und ormr. In vielen mittelalterlichen Werken wurden verschiedene Begriffe für Schlangen austauschbar verwendet. So spricht z.B. Albrecht von Scharfenberg in einem Atemzug von "vil wurm, schlangen [...] lindt tracken, kocodrillen"[3], ohne die Kreaturen genauer zu definieren[4]. Eine Liste der Bezeichnungen für Drachen, von denen viele sich von den gleichen Wörtern wie Schlangen ableiten, findet sich im Glossar.
Auch in der frühen Neuzeit wurden in zoologischen Werken häufig die Drachen als besonders große Schlangenart angesehen. So zählt z.B. Edward Topsell die Drachen zu den Serpents, unter welchen er alle Arten von Reptilien und Amphibien listet[5]. Da das Bild des Drachen seit dem Mittelalter immer mehr um Flügel und Beine ergänzt wurde, die den Schlangen fehlen, entwickelte der Drache sich immer mehr zu einer eigenständigen Kreatur. Heutige Drachendarstellungen erinnern meist eher an Dinosaurier oder Krokodile und haben wenig mit Schlangen gemein, dennoch werden viele schlangenartige Fabelwesen und Monster aus aller Welt häufig als Drachen bezeichnet[6]. Gleichzeitig assoziieren viele Menschen im 21. Jahrhundert Schlangen wenig mit Drachen und sehen verschiedene andere Reptilien wie Echsen oder Dinosaurier als drachenartiger als Schlangen an[7].
Quellen[]
- ↑ Philip J. Senter (2013), Dinosaurs and pterosaurs in Greek and Roman art and literature? An investigation of young-earth creationist claims, Palaeontologia Electronica, https://doi.org/10.26879/403
- ↑ Philip J. Senter, Uta Mattox, Eid. E. Haddad (2016), Snake to Monster: Conrad Gessner's Schlangenbuch and the Evolution of the Dragon in the Literature of Natural History, Journal of Folklore Research, Vol. 53, No. 1-4, doi:10.2979/jfolkrese.53.1-4.67
- ↑ Albrecht von Scharfenberg (13. Jahrhundert), Seifrid von Ardemont
- ↑ Claude Lecouteux (1979), Der Drache, Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur, 108. Bd., H. 1, https://www.jstor.org/stable/20656331
- ↑ Edward Topsell (1658), History of four-footed beasts and serpents, G. Sawbridge, https://doi.org/10.5962/bhl.title.79388
- ↑ David Spada (2020), Special: Of Dragons and Wyverns – Part 1, Monster Legacy
- ↑ Dragon Discourse (2021), Dragon Survey Analysis