Drachen Wiki
Drachen Wiki
Advertisement

Eine jukagirische Sage über den Meeresgeist erscheint in der Sammlung indigener Märchen des russischen Anthropologen Vladimir Germanovich Bogoraz. Sie erinnert an die Drachensagen indogermanischer Völker.

Sage[]

Einst lebten an einer Flussmündung ins Meer einige Tungusen und fingen dort Fisch. Doch eines Tages erschien aus dem Meer ein Meeresgeist, so groß wie ein Wal. Dieser drohte, die Menschen zu fressen, doch sie bettelten ihn an, sie am Leben zu lassen. Der Geist ließ sich überzeugen, nur einen Menschen am Tag zu fressen. Sie sollen jeden Tag einen Menschen ans Ufer bringen und dort zurücklassen. Würden sie dies nicht tun, würde er ihre Fischernetze zerstören, alle Fische vertreiben, ihre Kanus versenken und sie alle verschlingen[1].

So gingen die Menschen nach Hause und ließen einen als Opfer zurück. Der Häuptling beschloss, die Forderungen des Meeresgeistes zu erfüllen und jeden Tag ein Opfer darzubringen. Schließlich war die Tochter des Häuptlings an der Reihe, und sie ging ans Ufer und erwartete ihr Schicksal. Doch da kam ein junger Mann vorbei, ein Wanderer, der weder Vater noch Mutter hatte und ohne Ziel umherwanderte. Er fragte sie, was sie hier mache, und sie erzählte ihm vom Meeresgeist. Obwohl sie ihn drängte, zu verschwinden und sich in Sicherheit zu bringen, beschloss der junge Mann, zu warten, da er den Geist sehen wollte[1].

Er bat sie, ihn etwas zu lausen, während er schläft. Aber wenn jemand kommt, solle sie ihn sofort wecken. Als die Flut kam, kam mit ihr auch der Meeresgeist. Als dieser zwei junge Menschen am Ufer sah, freute er sich über die zusätzliche Nahrung. Die Häuptlingstochter versuchte den Wanderer zu wecken, doch er schlief unbeirrt weiter. Da weinte sie um ihn, und als eine ihrer Tränen sein Gesicht traf, sprang er sofort auf und griff das Seemonster an[1].

Sie kämpften bis spät abends, doch schließlich gelang es ihm, den Oberkiefer des Geistes zu packen und abzureissen. Als die Bedrohung gebannt war, war er müde und legte sich erneut schlafen. Doch da kam einer der Hirten des Häuptlings vorbei und fragte die Tochter, warum sie noch am Leben sei. Sie erzählte ihm, dass der schlafende Fremde den Geist getötet hatte, doch der Hirte bezichtigte sie zu lügen. Niemand würde glauben, dass ein Landstreicher das Monster töten könnte. Er zog sein Messer, tötete den schlafenden Mann, warf die Leiche ins Meer und drohte ihr, sie ebenfalls zu töten, wenn sie nicht ihn als den Monstertöter ausgeben würde[1].

Sie gingen zurück zum Häuptling und der Hirte gab sich dort als der Mörder des Meeresgeistes aus. Voller Freude gab der Häuptling ihm seine Tochter zur Frau. Doch während das ganze Dorf sich auf die Hochzeit vorbereitete, versammelte die Tochter die Mädchen des Dorfes und sie bereiteten ein großes Schleppnetz vor, so groß wie das Meer selbst. Sie zogen es die ganze Nacht die Küste entlang, und am Morgen gelang es ihnen, den Leichnam des Fremden herauszufischen[1].

Sie erzählte den Mädchen, dass er der wahre Monstertöter sei. Dann kündigte sie an, sich selbst zu töten, auf dass sie zusammen beerdigt werden könnten. Doch eine ihrer Gefährtinnen wusste von einer magischen Quelle, die alle Wunden heilen kann. Sie holte etwas Wasser und wusch die Stichwunde des toten Fremden damit. Sofort sprang er auf und war wieder am Leben. Gemeinsam gingen sie zu ihrem Vater und erzählten ihm die Wahrheit. Dann töteten sie den Hirten und heirateten[1].

Hintergrund[]

Die Sage wurde Bogoraz von Karyakin erzählt, einem Jukagiren aus der westlichen Tundra des Kolyma-Gebiets. Bogoraz merkt die Ähnlichkeit zum Prinzessin und Drache-Motiv an und verweist dabei auf Johannes Boltes und Jiří Polívkas Anmerkungen zu Die zwei Brüder[1][2].

Quellen[]

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 Vladimir Germanovich Bogoraz (1918), Tales of Yukaghir, Lamut, and Russanized natives of eastern Siberia, The Trustees, S. 12
  2. Die zwei Brüder in Johannes Bolte, Jiří Polívka (1913), Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm, Band 1, Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung
Advertisement