Drachen Wiki
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Mushussu

Darstellung des Mušḫuššu am Ischtar-Tor, 6. Jahrhundert v. Chr.

Der Drache Mušḫuššu (Keilschrift: 𒈲𒄭𒄊, muš.ḫuš, früher oft als sirrušu bzw. Sirrusch gelesen) stammt ursprünglich aus der Mesopotamischen Mythologie. Er ist ein Mischwesen, das sowohl Hörner, als auch einen Schlangenkopf, die Pfoten eines Löwen, die Hinterbeine eines Adlers und den Schwanz eines Skorpions besaß, und ist älter als das Konzept des Drachen.

Geschichte[]

Mušḫuššu kommt bereits in der sumerischen Mythologie vor, z.B. auf der Vase von Gudea aus dem 21. Jahrhundert vor Christus[1]. Auf einem Siegel aus der frühdynastischen Zeit wurde er als Löwe mit Schlangenschwanz dargestellt, während ein akkadisches Relief aus Ešnunna ihn geschuppt und mit Schlangenkopf, aber noch ohne Hörner und Vogelbeine zeigt. Seine später übliche Form kommt erstmals auf einem akkadischen Siegel vor, das dem Gott I-ba-um geweiht ist[2].

Während des Babylonischen Reiches war Mušḫuššu das Begleittier des Gottes Marduk und seines Sohnes Nabu[1]. Diese übernahmen den Drachen von Tišpak, dem Stadtgott der akkadischen Stadt Ešnunna[3]. Als Reittier von Tišpak wird er oft mit sieben Köpfen dargestellt[4].

Die ältesten Darstellungen zeigen Mušḫuššu als Begleiter des Gottes Ninazu, der vor Tišpak Stadtgott von Ešnunna war. Ab dem 3. Jahrtausend v. Chr., als unter zunehmenden akkadischen Einfluss Tišpak zum Stadtgott von Ešnunna wurde, wurde Ninazu nur noch mit generischen Schlangen dargestellt und verlor an Bedeutung. Der Übergang zur Darstellung mit Marduk kam dann nach der Eroberung von Ešnunna durch Hammurapi I. um 1760 v. Chr., die älteste solche Beschreibung ist jedoch eine Inschrift aus der Zeit von Agum II. Kakrime, ca. 200 Jahre nach der Eroberung. In dieser wird Mušḫuššu als Reittier von Marduk bezeichnet[5].

Im 1. Jahrtausend v. Chr. änderte sich die Darstellung von Mušḫuššu. So ist er in der Enûma Eliš (9. Jahrhundert v. Chr.) nur eine von vielen Kreaturen in der Armee von Tiamat, gegen die Marduk kämpft. Wie im früheren Tišpak-Mythos wird der Drache erst danach zum Begleiter des Gottes, worauf jedoch nicht genau eingegangen wird[6]. Im 7. Jahrhundert v. Chr. wurde Mušḫuššu zum Begleittier des Gottes Aššur, da Babylon inzwischen unter der Herrschaft des assyrischen Reiches stand, dessen Schutzgott Aššur war. Dies ist z.B. in einer Stele aus der Zeit von Asarhaddon zu erkennen, in der Aššur den Platz auf Mušḫuššus Rücken einnimmt, den einst Marduk inne hatte. Doch nach dem Fall des assyrischen Reiches (ca. 614 - 609 v. Chr.) kehrte im Neubabylonischen Reich die traditionelle Darstellung von Marduk und Nabu als Herren des Mušḫuššu zurück[7][5][8].

Nach dem Ende des Neubabylonischen Reiches werden Darstellungen und Erwähnungen von Mušḫuššu seltener. Eine spätbabylonische Weltkarte aus dem 9. Jahrhundert v. Chr. erwähnt, dass Marduk, nach seinem Sieg über Tiamat, seine Gegner wie Mušḫuššu und Bašmu in die Mitte der See setzte[9]. Eine Tafel aus dem Seleukidenreich (3. und 2. Jahrhundert v. Chr.) zeigt im Mond eine Figur, die gegen ein Ungeheuer kämpft und auf das alte Motiv von Marduk und Mušḫuššu zurückgehen könnte[10].

Möglicherweise ist Mušḫuššu der Drache aus der Bibelgeschichte Bel und der Drache. Bel wäre in diesem Fall vermutlich Marduk[11].

Beschreibung[]

In einem Text aus der Bibliothek des assyrischen Königs Aššurbanipal kämpft der Gott Tišpak gegen Mušḫuššu. In einem Sturm kann der Gott den Drachen mit einem Pfeil töten, woraufhin dessen Blut drei Jahre und drei Monate lang Tag und Nacht fließt[4].

Hier wird der Drache als 50 Meilen lang und eine Meile breit beschrieben, mit einem sechs Ellen langen Maul und zwölf Ellen langen Ohren. Laut diesem Text kann er Vögel fangen, die 60 Ellen weit weg sind, und Gegenstände aus neun Ellen tiefem Wasser ziehen. Hebt er seinen Schwanz, berührt dieser den Himmel[4].

Die meisten Darstellungen zeigen Mušḫuššu mit Schwanz und Kopf einer Schlange, Vorderpfoten eines Löwen und Hinterbeinen eines Adlers. Auf dem Kopf trägt er Hörner als Zeichen seiner Göttlichkeit[5]. Auf den ältesten Darstellungen aus Uruk und der frühdynastischen Zeit hat er noch einen katzenartigen Kopf[7]. Während der Amtszeit von Gudea von Lagaš waren auch Darstellungen mit Flügeln verbreitet[12].

Traditionell wurde der Mušḫuššu mit dem Tod assoziiert, wie es bei Schlangen häufig der Fall ist. Jedoch wurde er auch als Wächter dargestellt, z.B. an Tempeleingängen und am berühmten Ischtar-Tor in Babylon[5].

Löwendrachen[]

Narmer Palette

Löwendrachen auf der Narmer-Palette, ca. 3100 v. Chr.

Mušḫuššu ist ein Beispiel für einen so genannten Löwendrachen oder Serpoparden[5], ein Mischwesen aus Drache und Schlange, das in der mesopotamischen Kunst häufiger vorkommt. Meist haben die Tiere den Körper und Kopf eines Löwen, aber einen langen Schlangenhals. Es gibt auch Variationen mit Schlangenköpfen oder den Körpern anderer vierbeiniger Tiere. Die ägyptische Narmer-Palette zeigt ebenfalls solche Tiere, vermultich aufgrund des kulturellen Einflusses aus Mesopotamien[4].

Die Löwendrachen sind ein Beispiel einer generellen Assoziation von Löwen und Schlangen in der mesopotamischen Mythologie. Beide Tiere werden häufig zusammen genannt, was vermutlich auch daran liegt, dass es sich jeweils um gefährliche Tiere handelt, vor denen sich jeder fürchten musste, der den Schutz der Zivilisation verlässt. Beide Tiere werden oft mit den gleichen Göttern assoziiert, z.B. Tišpak, und kommen auch unter Tiamats Kindern vor. In der Bibel wird der Pharaoh als Tannin (Drache, Schlange) und Löwe bezeichnet[13] und auch an anderen Stellen werden beide Tiere gemeinsam genannt[14][4].

In der Populärkultur[]

  • In der RPG-Serie Shin Megami Tensei ist Mushussu ein Dämon, dessen Design sich, anders als bei vielen anderen Dämonen, sehr nahe am mythologischen Vorbild orientiert.
  • In Joseph Niggs Buch "Drachen", einer fiktiven Anleitung zur Drachenzucht, ist der Mushussu eine Drachenart, die geritten werden kann.
  • Manche Fans vermuten, dass der Drache Mushu aus dem Disney-Film "Mulan" nach Mušḫuššu benannt ist[15].

Quellen[]

  1. 1,0 1,1 Frans A. M. Wiggermann (1992), Mesopotamian Protective Spirits: The Ritual Texts, Brill, ISBN 9789072371522, S. 168-169
  2. Frans A. M. Wiggermann (1997), Transtigridian Snake Gods in I. L. Finkel, M. J. Geller (1997), Sumerian Gods and their Representations, Styx Publications, ISBN 90-5693-005-2
  3. Piotr Bienkowski, Alan Ralph Millard (2000), Dictionary of the Ancient Near East, University of Pennsylvania Press, ISBN 978-0-8122-3557-9
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 Theodore J. Lewis (1996), CT 13.33-34 and Ezekiel 32: Lion-Dragon Myths, Journal of the American Oriental Society 116/1, 29. https://www.jstor.org/stable/606370
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 Johannes Bach (2019), Drachen im alten Mesopotamien in Markus May, Michael Baumann, Robert Baumgartner, Tobias Eder (2019), Den Drachen denken, transcript, ISBN 978-3-8376-4663-4
  6. 𒂊𒉡𒈠𒂊𒇺 (Enūma eliš, ca. 9. Jahrhundert v. Chr.)
  7. 7,0 7,1 Frans A. M. Wiggermann, mušḫuššu in Dietz Edzard (1997), Reallexikon der Assyriologie und Vorderasiatischen Archäologie, Band 8, de Gruyter, ISBN 9783110148091
  8. Grant Frame (2007), Babylonia 689-627 B.C.: A Political History, Nederlands Instituut voor het Nabije Osten, ISBN 90-6258-069-6
  9. Wayne Horowitz (1998), Mesopotamian Cosmic Geography, Eisenbrauns, ISBN 9780931464997
  10. Paul-Alain Beaulieu (1999), The Babylonian Man in the Moon, Journal of Cuneiform Studies, Vol. 51, https://doi.org/10.2307/1359732, https://www.jstor.org/stable/1359732
  11. Beate Kowalski (2009), Bel und Drache, Deutsche Bibelgesellschaft
  12. Claudia Suter (2000), Gudea's Temple Building: The Representation of an Early Mesopotamian Ruler in Text and Image, STYX publications, ISBN 9789056930356
  13. Hesekiel 32:2
  14. Psalm 91:13
  15. Sebastian Helm, Mušḫuššu, Arbeitskreis für Vergleichende Mythologie e.V.
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