Drachen Wiki
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"Er macht, dass die Tiefe brodelt wie ein Topf, und rührt das Meer um, wie man Salbe mischt. Er lässt hinter sich eine leuchtende Bahn; man denkt, die Flut sei Silberhaar. Auf Erden ist nicht seinesgleichen; er ist ein Geschöpf ohne Furcht. Er sieht allem ins Auge, was hoch ist; er ist König über alle Stolzen."
―Hiob 41:23-26

Der Leviathan (hebr. לִויָתָן liwjatan, der sich Windende) ist ein gigantischer, feuerspeiender Tannin der jüdischen und christlichen Mythologie. In der Offenbarung des Johannes kämpft er gegen den Behemoth, worauf beide von Gott getötet werden.

Hintergrund[]

Mythologische Vorgänger des Leviathan scheinen Lôtān aus der kanaaitischen Mythologie, der vom Sturmgott Ba'al getötet wurde, und dessen mythologisches Vorbild Têmtum, der vom Sturmgott Hadad getötet wurde, zu sein[1]. Deren Mythen erinnern auch an Typhon aus der griechischen Mythologie und sind außerdem Variationen des Chaoskampf-Mythos.

Diverse Bibelforscher vermuten, dass der Leviathan in Jesaja 27:1 symbolisch für eine als böse empfundene Großmacht steht. Je nach Datierung des Buches Jesaja wurden u.a. Ägypten, Assyrien, die Ptolemäer, die Seleukiden und Babylon vorgeschlagen[2].

Jesaja 26:17 und 27:1 dienten vermutlich als Inspiration für die Beschreibung des Drachen der Apokalypse und der schwangeren Frau in Offenbarung 12[3].

Beschreibung[]

Jüdische Quellen[]

Der Leviathan wird als großes, schlangenartiges Wesen beschrieben, das im Meer lebt. Später wird er oft als Wal identifiziert, in vielen Bibel-Übersetzungen wird Leviathan hingegen als Krokodil übersetzt[4]. Die Identifikation als Krokodil geht auf Samuel Bocharts Hierozoicon zurück[5].

Die detaillierteste Beschreibung aus der Bibel findet sich im Buch Hiob, wo Gott Hiob zeigt, wie machtlos die Menschen gegen den Leviathan sind. Hier heißt es, dass seine Schuppen fest wie Schilde sind und nichts zwischen sie dringen kann. Außerdem schießen Flammen aus seinem Mund, mit denen er das Meer zum Kochen bringt, und sein Herz ist hart wie Stein. Deshalb kennt er keine Furcht und verachtet alles, was hoch ist[6]. Senter argumentiert, dass das Feuerspeien nicht wörtlich gemeint sei, sondern im alten Hebräisch eine häufige Metapher für Aggression darstellt[7].

Psalm 74:13–14 und Jesaja 27:1 identifizieren den Leviathan als Tannin[8][9], was so viel wie Seemonster oder Seeschlange bedeutet und später oft als Drache übersetzt wurde.

Im Talmud werden die Augen des Leviathans wie "die Wimpern der Morgenröte" beschrieben[10], und Flüsse von Wasser fließen aus seinen Nasenlöchern. Jedoch soll der Leviathan ein Wesen namens Kilbith fürchten[11], welches oft als parasitärer Wurm oder als Stichling interpretiert wird[12].

In der modernen jüdischen Folklore tritt Liwjatan als König (heb.: מֶלֶךְ, melekh) der Fische auf[13][14].

Christliche Quellen[]

In der Septuaginta wird das Wort לִויָתָן als Drakon (Drache) oder Ketos (Wal) übersetzt. Auch die Vulgata folgt diesem Beispiel und verwendet die Wörter Draco und Cetus, jedoch wird das Wort im Buch Hiob als Leviathan transliteriert. Da der Abschnitt des Leviathan mit der Phrase "er ist ein König über alles stolze Wild"[15] endet, wurde Leviathan später oft mit Stolz assoziiert[16]. Elemente des Leviathans flossen auch in christlich-europäische Drachendarstellungen ein, wie z.B. der Drache von Pannonien zeigt.

In späteren christlichen Quellen ist der Leviathan ein Symbol des Teufels und symbolisiert seit Thomas von Aquin den Neid[17].

Mosasaurus

Der Mosasaurier Mosasaurus

In dieser Form wird er in der christlichen Dämonologie auch, zusammen mit Behemoth, als Dämon gelistet. Laut Sebastien Michaelis' Histoire admirable de la possession et conversion d'une penitente war er einst ein Prinz der Seraphim, der seit seinem Sturz die Menschen zur Häresie verführt. Sein Feind ist Simon Petrus[18]. Auch Peter Binsfeld sieht ihn als einen der sieben Prinzen der Hölle, die die Todsünden repräsentieren[19].

Möglicherweise basiert auch das ossetische Fabelwesen Ruimon auf dem Leviathan.

Moderne Interpretationen[]

Leviathan melvillei

Der Urwal Livyatan melvillei erbeutet einen Bartenwal

Manche Kryptozoologen, aber auch Kreationisten, sehen im Leviathan die Beschreibung eines urzeitlichen Meerestieres[7] wie eines Mosasauriers oder Basilosaurus. So wurde auch der ausgestorbene Wal Livyatan melvillei nach dem Leviathan benannt. Eine 1875 gesichtete Seeschlange wurde von Kapitän Drevar, der einer der Augenzeugen war, mit dem Leviathan assoziiert[20].

Im Satanismus, vor allem in den Lehren der Church of Satan, repräsentiert Leviathan das Element Wasser und die Himmelsrichtung Westen. Hier ist er einer von vier Kronprinzen der Hölle (im Gegensatz zu den sieben Prinzen der christlichen Dämonologie)[21].

Das Wort Leviathan wird heute für viele, vor allem sehr große Seemonster verwendet, siehe weiter unten. Allgemein kann der Leviathan für etwas großes und unüberwindbares stehen. Das bekannteste Beispiel hierfür ist Thomas Hobbes staatstheoretisches Buch "Leviathan", wo der Leviathan für die Macht des Staates steht[22].

Handlung[]

Behemoth

Der Leviathan kämpft gegen den Behemoth

Laut Ps 104:26 wurde Leviathan von Gott geschaffen, damit dieser mit ihm spielen kann[23]. Jedoch gibt es auch Bibel-Übersetzungen, nach denen Leviathan selbst im Meer spielt[24].

Oft wird der Kampf zwischen Gott und dem Leviathan als Beispiel für einen Chaoskampf-Mythos angesehen. Jedoch ist das Verhältnis zwischen Gott und dem Leviathan nicht nur antagonistisch, an anderen Stellen erscheint er als eine Art Diener oder sogar Haustier für Gott, der ihm seinen Willen aufzwingt. Manche jüdische Kommentatoren versuchen diesen Widerspruch damit aufzulösen, dass es einst zwei Leviathane gab[25]. Laut Bava Batra 74b hat Gott das Weibchen getötet, damit die Tiere sich nicht vermehren und die ganze Welt zerstören. Das Männchen behält er jedoch noch zu seiner Unterhaltung bei sich[10]. Nach dem Buch Henoch hingegen ist Leviathan selbst das weibliche Gegenstück des Behemoth, das von Gott zur Züchtigung der Menschen gesandt wurde[26].

Laut Ps 74,14 wird Gott den Kopf des Leviathans zermalmen[8], nach Jes 27,1 hingegen soll er den Leviathan „mit seinem harten, großen, starken Schwert" töten[9]. Im Talmud steht, dass die Jagd auf den Leviathan vom Erzengel Gabriel organisiert wird[10].

Das Fleisch des Leviathans und des Behemoths soll die Gerechten speisen[27][28].

In der Populärkultur[]

Das Wort Leviathan wird häufig für unterschiedliche gigantische Seemonster verwendet. Beispiele hierfür sind:

  • John Milton beschreibt den Leviathan in seinem Epos "Paradise Lost" mit einem Rüssel, durch den er Wasser ausstößt, hält sich aber ansonsten an die biblische Beschreibung. Diese Beschreibung erinnert an das indische Fabelwesen Makara.
  • In Ambroce Bierces Des Teufels Wörterbuch wird beschrieben, dass der Leviathan kein Wal, sondern eine gigantische Kaulquappe der Art Thaddeus polandensis sei. Der Name ist eine Anspielung auf das englische Wort für Kaulquappe, tadpole. Bierce verweist für weitere Literatur auf Jane Porters Thaddeus of Warsaw, vermutlich nur aufgrund der Namensgleichheit und dem Bezug zu Polen bzw. dessen Hauptstadt.
  • In dem Disney Film "Atlantis", ist der Leviathan der Wächter dieser sagenumwogenen Stadt. Allerdings ist er in dem Film eher riesiges, hummerartiges, mechanisches Krebstier.
  • In der 3. Staffel von Yu-Gi-Oh! ist der Große Leviathan der Endgegner.
  • In Monster Hunter bezeichnet Leviathan eine Klasse amphibisch lebender Monster, zu denen z.B. der Lagiacrus gehört. Außerdem erinnern die walartigen Drachenältesten Jhen Mohran, Da'ren Mohran und Ceadeus an den Leviathan.
  • Das Pokémon Kyogre basiert auf dem Leviathan, so wie sein Gegenstück Groudon auf dem Behemoth basiert.
  • Der Dämon Leviathan hat einen kurzen Auftritt in Hellboy 13 - Abstieg zur Hölle, wo er Hellboys Brüder und Onkel verschlingt.
  • In Scott Westerfelds Roman Leviathan bezeichnet das Wort ein Luftschiff, welches aus organischen Komponenten besteht und an einen Pottwal erinnert. Interessanterweise ist der Leviathan hier also ein Wesen der Luft, während der Behemoth ein kopffüßer-artiges Seemonster ist.
  • In der RPG-Serie Shin Megami Tensei ist Leviathan ein schlangenartiger Dämon, dessen Design sich von Spiel zu Spiel stark unterscheidet.
  • Das Lied Leviathan vom Album Black Sails at Midnight der Band Alestorm erzählt vom Kampf einer Gruppe Piraten gegen den Leviathan. Es wird auf dem folgenden Album Back through Time mit Death Throes of the Terrorsquid fortgesetzt, in dem die Piraten gegen einen Riesenkalmar kämpfen.
  • Das Lied Leviathan vom Album Fauler Zauber der Band Vroudenspil beschreibt den Leviathan als Sinnbild für allerlei negative Emotionen.
  • Im Lied Leviathan vom Album Zutiefst der Band ASP ist der Leviathan eine Metapher für Depressionen.
  • In der Final Fantasy Serie ist Leviathan ein beschwörbares Monster, eine Seeschlange, die angreift, indem sie das Schlachtfeld mit dem Angriff Springflut bzw. Tsunami flutet.
  • In The Legend of Zelda: Breath of the Wild sind Leviathane ausgestorbene Kreaturen, deren gigantische Skelette in der Gerudo-Wüste, in Eldin und in Hebra gefunden werden können. Sie erinnern an Wale, scheinen jedoch unterschiedlichen Spezies anzugehören.
  • Der Drache Narisha aus The Legend of Zelda: Skyward Sword heißt auf englisch Levias, was sich von Leviathan ableitet.
  • Im Spiel God of War (2018) ist Leviathan der Name der Axt des Protagonisten Kratos. Der Schmied Brok wählte den Namen inspiriert von der Größe der Weltenschlange Jörmungandr.
  • Im Marvel Cinematic Universe, vor allem im Film The Avengers, ist Leviathan die Bezeichnung für teilweise organische Kriegsschiffe der Chitauri. Diese werden auch als Chitauri Cyborg-Drachen bezeichnet.
  • Das Digimon Leviamon erinnert an ein Krokodil mit zwei Schwänzen und repräsentiert als einer der sieben Dämonenfürsten die Todsünde Neid.
  • In der Episode "Die Insel im Nebel" aus der Zeichentrickserie Das Geheimnis von Mu (2004–2005) tritt der Leviathan als geringer Antagonist der Hauptfiguren auf.
  • In Dragons and Unicorns - A Natural History ist Leviathan einer ersten schriftlich erwähnte Drache der Geschichte.

Quellen[]

  1. Karel van der Toorn, Bob Becking, Pieter W. van der Horst (1999), Dictionary of Deities and Demons in the Bible, 2nd ed., Eerdmans Publishing, ISBN 978-9004111196
  2. The eschatologization of the divine conflict with the dragon and the sea in John Day (1985), God's Conflict with the Dragon and the Sea: Echoes of a Canaanite Myth in the Old Testament, Cambridge University Press, S. 143-177, ISBN 978-0521256001
  3. John M. Court (1979), Myth and history in the Book of Revelation, SPCK Publishing, S. 112, ISBN 978-0281037001
  4. The Holy Bible. Revised standard version containing the Old and New Testaments, T. Nelson (1959), urn:oclc:record:1035611999
  5. Samuel Bochart (1663), Hierozoicon, sive, bipertitum opus De animalibus Sacræ Scripturæ
  6. Hiob 40:15 – 41:26
  7. 7,0 7,1 Philip J. Senter (2019), Leviathan, Behemoth, and Other Biblical Tannînim: Serpents, Not Dinosaurs, Perspectives on Science and Christian Faith
  8. 8,0 8,1 Psalm 74:13–14
  9. 9,0 9,1 Jesaja 27:1
  10. 10,0 10,1 10,2 Bava Batra 74b
  11. Shabbat 74b
  12. Marcus Jastrow (1926), Dictionary Of The Targumim, Talmud Bavli, Talmud Yerushalmi And Midrashic Literature, Judaica, ISBN 978-1932443202
  13. 4. Die dankbaren Tiere in M. Grunewald (1898), Märchen und Sagen der deutschen Juden, Mitteilungen der Gesellschaft für jüdische Volkskunde, Heft 2, S. 25-26
  14. 16. König Liwjatan in M. Grunewald (1898), Märchen und Sagen der deutschen Juden, Mitteilungen der Gesellschaft für jüdische Volkskunde, Heft 2, S. 25-26
  15. Hiob 41:34
  16. Nicolas K. Kiessling (1970), Antecedents of the Medieval Dragon in Sacred History, Journal of Biblical Literature, 89(2), 167, https://doi.org/10.2307/3263046
  17. Thomas von Aquin (13. Jahrhundert), Expositio super Iob ad litteram, Leonine (1965), ISBN 9782204067737
  18. Sebastian Michaelis (1613), Histoire admirable de la possession et conversion d'une penitente
  19. Peter Binsfeld (1589), Tractatus de confessionibus maleficorum & Sagarum an et quanta fides iis adhibenda sit
  20. Charles G. M. Paxton (2021), Driven Mad by the Sea Serpent: The strange case of Captain George Drevar, Folklore 107, Issue 3, https://doi.org/10.1080/00253359.2021.1940521
  21. Anton LaVey (1969), The Satanic Bible, Avon Books, ISBN 978-0-380-01539-9
  22. Thomas Hobbes (1651), Leviathan or the Matter, Forme and Power of a Commonwealth Ecclesiasticall and Civil
  23. Psalm 104:25-27, Neue Genfer Übersetzung
  24. Psalm 104:25-27, Luther-Bibel 1545
  25. Ryan S. Higgins (2020), The Good, the God, and the Ugly: The Role of the Beloved Monster in the Ancient Near East and the Hebrew Bible, Interpretation, Vol. 74, Issue 2, https://doi.org/10.1177/0020964319896307
  26. Erster Henoch 60:7
  27. Erster Henoch 60:24
  28. Bava Batra 75
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