Der Lagarfljótwurm ist ein Kryptid, der im isländischen Lagarfljót-See leben soll.
Geschichte[]
Die älteste Erwähnung eines "Wundervollen Dinges" (is.: undarligr [h]lutr) im Lagarfljótsee stammt aus Skálholts Annáll aus dem Jahr 1345[1][2]. Gesichtet wurden damals nur Höcker die aus dem See auftauchten, aber keine eindeutigen Erkennungsmerkmale einer Kreatur[3][2].
1588 erwähnt Oddur Einarsson in seiner Qualiscunque descriptio Islandiae ein Wassermonster im Lagarfljótsee[4][5].
1595 veröffentlichte der Kartograph Abraham Ortelius in seiner Theatrum Orbis Terrarum eine vom Bischof Guðbrandur Þorláksson gezeichnete Karte Islands, in der eine riesige Schlange im Lagarfljótsee erwähnt wird (lat.: In hoc lacu est anguis insolitæ magnitudinis)[5]. Eine weniger detaillierte Erwähnung der Schlange findet sich auf einer Karte von Gerhard Mercator, und in den Jahren 1607, 1612, 1618, 1641 und 1672 folgten weitere Sichtungen[6].
Die Annalen des Bischofs Gísli Oddsson von 1657 beschreiben, dass die Schlange (is.: strandvorm) eine Meile lang sein soll. Die Angaben zur Anzahl der Krümmungen gehen laut Oddson auseinander, von ein bis drei Stück. Die Schlange soll den Fluss so aufwühlen, dass er überläuft, und die Erde zum beben bringen. Einst soll ein Bischof die Schlange gebannt haben, jedoch kam sie zurück, kaum dass der Bischof fortgegangen war[7][8].
1749 oder 1750 soll ein buckeliges Monster (is.: skrýmsli) im See gesichtet worden sein[9][1][3].
1819 soll das Ungeheuer beobachtet worden sein, wie es in Richtung Hallormsstaður schwamm[6].
Im Jahr 2012 veröffentlichte der isländische Nachrichtensender RÚV ein angebliches Video des Monsters. Das Video zeigt ein schlangenförmiges Objekt, das sich im Wasser bewegt[10]. Analysen zeigten jedoch, dass das Objekt sich nur in der Strömung schlängelt, dabei aber nicht fortbewegt. Vermutlich handelt es sich um ein Fischernetz oder ähnliches, das sich verfangen hat[11].
Beschreibung[]
Laut der Beschriftung auf Þorlákssons Karte zeigt die Schlange sich, wenn umwälzende Ereignisse bevorstehen[6].
Die Sichtung im Jahr 1607 wurde so beschrieben, dass die Schlange drei Krümmungen hatte, die so weit über die Wasseroberfläche ragten, dass ein Mensch mit einer aufrecht gehaltenen Lanze darunter durchgehen kann[6].
Während Oddson die Schlange nur eine Meile lang beschrieb, soll sie laut dem Gedicht "Rönkufótsríma" des Priesters Stefán Ólafsson sogar dreieinhalb Meilen messen. Ólafsson beschreibt auch, dass die Schlange auf Gold liegt und mit Kopf und Schwanz am Boden festgewachsen ist[6][12].
Ólafsson erwähnt auch noch monströse Robben und einen riesigen Rochen im See[6][12]. Der Rochen soll laut Jón Árnason giftig genug sein, um jeden zu töten, der ihn nur berührt. Jedoch wurden sowohl der Rochen als auch die Robbe von einem Dichter gebunden, damit sie niemandem schaden können[13].
Sage[]
Eine Sage, die von der Entstehung des Lagarfljótwurms erzählt, wurde 1862 von Jón Árnason veröffentlicht, dem sie 1845 von einem Mädchen aus Múlasýsla erzählt worden war[9].
Laut der Legende soll einst ein Mädchen von seiner Mutter einen Goldring erhalten haben. Dazu wurde ihr mitgeteilt, dass das Gold sich mehren würde, wenn sie es unter einen lyngormur (in englisch oft übersetzt als heathworm[13] oder heathsnake[1]) legte. Sie legte den Wurm also mit dem Ring in eine kleine Kiste. Nach einigen Tagen war der Wurm so groß gewachsen, dass er nicht mehr in die Kiste passte, und vor Angst warf sie beide zusammen ind en See. Der Wurm wuchs immer weiter und begann, Gift zu spucken und Menschen und Vieh zu töten. Schließlich gelang es zwei Finnen, den Drachen mit Kopf und Schwanz am Grund des Sees festzubinden, jedoch konnte sie ihn nicht töten, da weiter unten im See noch ein größerer Drache lauerte[9].
Hintergründe und Parallelen[]
Parallelen zu anderen Mythen finden sich in der Art, wie der Drache aufwächst. So soll auch der Drache, den später Ragnar loðbrók tötete, in einer Kiste mit Gold aufgewachsen sein, mit dem Zweck das Gold zu vermehren[14], während der Wurm aus der Legende Der Lindwurm und die Jungfrau ohne Gold in einer Kiste aufwuchs. In isländischen Volkssagen sagt man dieses Verhalten für gewöhnlich den Brekkusnígill nach, was ein einheimisches Wort für die Schwarze Wegschnecke ist[15].
Es werden auch Bezüge zur nordischen Mythologie vermutet, vor allem zur riesigen Seeschlange Jörmungandr, dem bis zum Ende der Welt gefesselten Fenriswolf und dem schatzhütenden Drachen Fafnir[13]. Der dänische Folklorist Axel Olrik vermutet, dass der Wurm nicht der skandinavischen Tradition der unterirdisch schlafenden Lindormar entstammt, sondern eher mit irischen Sagen verwandt ist, in denen ein Heiliger eine Schlange bis zum jüngsten Tag auf den Grund eines Sees verbannt[16]. Beispiele dafür sind die Lough Muskry Serpent und die Cathach.
Eine ähnliche buckelige Kreatur (non.: skrimsl) wurde im See Skorradalsvatn gesichtet. Sie soll 14m lang gewesen sein und mehrere Buckel gehabt haben. Der Kopf erinnerte an eine Robbe. Gesichtet wurde sie von mehreren Bauern[3].
Erklärungen für die Sichtungen[]
Bereits Eggert Ólafsson vermutete, dass Ausdünstungen aus dem See bei Besuchern für Halluzinationen sorgten, die sie den Lagarfljótwurm sehen lassen haben[6].
Árnason vermutete hingegen, dass die gesichteten Buckel nur Schaum waren, der auf der Oberfläche des Sees trieb[1].
Quellen[]
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 The Water-Snake of Lagarfljot in Jacqueline Simpson (1972), Icelandic Folktales and Legends, University of California Press, S. 102–104, ISBN 9780520021167
- ↑ 2,0 2,1 Gustav Storm (1888), Islandske annaler indtil 1578, Grøndahl & søns bogtrykkeri
- ↑ 3,0 3,1 3,2 Sabine Baring-Gould (1863), Iceland: its scenes and sagas, Smith, Elder & Company, S. 845–848
- ↑ Oddur Einarsson (1588), Qualiscunque descriptio Islandiae
- ↑ 5,0 5,1 Einar Ólafur Sveinsson (2003), The Folk-Stories of Iceland, Viking Society for Northern Research, ISBN 0 903521 53 9
- ↑ 6,0 6,1 6,2 6,3 6,4 6,5 6,6 Paul Herrmann (1907), Island in Vergangenheit und Gegenwart, Teil II, W. Engelmann, S. 175
- ↑ Jón Þorkelsson (1891), Die Annalen des Bischof Gisli Oddson in Skálholt von 1637, Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, 1. Jahrgang, S. 168
- ↑ Gísli Oddsson (1917), Capitulum VI in Halldór Hermannsson (1917), Annalium in Islandia farrago and De mirabilibus Islandiae, Islandica 10, Cornell University Library, S. 39–41
- ↑ 9,0 9,1 9,2 Jón Árnason (1862), Ormurinn í Lagarfljóti, Íslenzkar Þjóðsögur og Æfintýri, Vol. I, J. C. Hinrichs, S. 638–641
- ↑ Er þetta Lagarfljótsormurinn?, Ríkisútvarpið (2012)
- ↑ Benjamin Radford (2012), Icelandic River Monster Mystery Solved. LiveScience
- ↑ 12,0 12,1 Stefán Ólafsson (17. Jahrhundert), Rönkufótsríma in Kvæði eptir Stefán Ólafsson, Prentað hjá B. Luno (1885)
- ↑ 13,0 13,1 13,2 Jón Árnason (1866), Icelandic Legends Collected by Jón Árnason, Translated by George E. J. Powell; Eiríkr Magnússon, Longman, Green, and Co. S. cxxiii–cxxiv
- ↑ A. H. Krappe (1941), Sur un épisode de la Saga de Ragnar Lodbrók, Acta Philologica Scandinavica, Vol. 15, S. 328
- ↑ Konrad von Maurer (1860), Isländische Volkssagen der Gegenwart: vorwiegend nach mündlicher Überlieferung, Hinrichs, S. 174
- ↑ Axel Olrik (1922), Ragnarök, de Gruyter, S. 99, https://doi.org/10.1515/9783112599167