Kētos (griechisch Κητώ, auch kēto, Plural kētē, lat. Cetus) ist ein Wort, das in der Antike für Seemonster verwendet wurde. Die bekanntesten Beispiele sind die Kētos von Äthiopien und die Kētos von Troja.
Definition[]
Das Wort Kēto wird in altgriechischen Quellen sowohl für Wale und große Fische als auch für mythologische Seeschlangen und Seemonster verwendet. Dabei ist Aristoteles einer der ersten, der es in einem naturwissenschaftlichen Kontext verwendet, um reale Wale zu beschreiben[1][2]. Damit ist es vergleichbar mit Drakon, das sowohl reale als auch mythologische Riesenschlangen bezeichnet. Drakon wurde jedoch so gut wie immer für landbewohnende Kreaturen verwendet[3]. Eine der wenigen Ausnahmen ist Ovid, der die Kētos von Äthiopien einmal als draco bezeichnet[4]. Daneben bezeichnet es auch andere Meerestiere wie Rochen, Schildkröten oder Robben[2].
In antiken Illustrationen werden mythologische Kētē meist mit schlangenartigem Körper und hundeartigem Kopf dargestellt. Manchmal erinnern die Köpfe auch an Schweine, Löwen oder Pferde. Als Gliedmaßen haben sie entweder Löwenbeine oder fischartige Flossen. Realistische Darstellungen von Walen sind nicht überliefert, was vermutlich auch daran liegt, dass nur wenige Menschen in der Antike jemals einen lebenden Wal zu Gesicht bekommen haben. Die meisten Künstler mussten sich als Vorlagen also auf Beschreibungen von Seeleuten oder stark verweste Kadaver verlassen[3].
Die Beschreibungen von Kētē in antiken Texten erwähnen teilweise leuchtende Augen und drei Zahnreihen, ähnlich denen von Drakontes[5]. Eine weitere Ähnlichkeit ist die Assoziation mit Hunden, z.B. beschreibt Euripides die Hydra und Lykophron die Ketos von Troja als Hund[6][7].
Im Mittelalter und der frühen Neuzeit wurden Kētē zunehmend gemäß der zu der Zeit üblichen Darstellungen von Drachen und Seeungeheuern illustriert. Ein Beispiel ist eine niederländische Darstellung von Perseus Kampf gegen Ketos aus dem 16. Jahrhundert, die das Ungeheuer als typischen geflügelten Drachen darstellt, ohne Merkmale, die auf einen Meeresbewohner hindeuten. Andere Künstler des 17. Jahrhunderts wie Guido Reni oder Lorenzo Loli stellen Ketos hingegen als fischähnliches Monster mit Hundekopf dar[8].
Keto von Äthiopien[]
Laut der Legende wurde Ketos von Poseidon gesandt, um die Küstengebiete Äthiopiens zu terrorisieren, da die dortige Königin, Kassiopeia, damit geprahlt hatte, schöner zu sein als die Nereiden. Auf Anraten des Orakels Ammon (oft mit dem ägyptischen Gott Amun gleichgesetzt) wurde Kassiopeias Tochter Andromeda an einen Felsen gekettet, als Opfer für Ketos. Doch Perseus, der auf der Durchreise war, tötete Ketos. Dies fiel ihm leicht, da er durch den Helm des Pluto unsichtbar war. Perseus heiratete Andromeda, jedoch nicht, ohne zuvor mithilfe des Hauptes der Medusa einen anderen Freier Andromedas in Stein zu verwandeln. Nach einer Version der Geschichte tötete er auch Ketos mithilfe des Medusenhauptes[9][10].
Plinius der Ältere erwähnt, nachdem er von Andromeda berichtet hat, dass Ceto in Joppa (heute Jaffa) angebetet wurde. Während es sich dabei um einen Kult der unten genannten Meeresgöttin handelt, ist, aufgrund der Erwähnung Andromedas, ein Bezug zu Ketos nicht auszuschließen. Jedoch könnte Plinius sich auch auf die syrische Göttin Derceto bezogen haben[11][10][12]. Plinius berichtet jedoch auch, dass die Knochen der Ketos, die von Perseus getötet wurde, durch Marcus Scaurus von Joppa nach Rom gebracht wurden[13]. Dennoch berichtet Hieronymus (347-430), dass die Knochen zu seiner Zeit noch in Joppa ausgestellt waren[14].
Keto von Troja[]
Auch Troja wurde einst von einem als Kētos bezeichneten Monster heimgesucht, welcher von Poseidon geschickt wurde. Hierbei handelte es sich um eine Strafe dafür, dass König Laomedon dem Gott seine Belohnung für die Hilfe beim Bau der Stadtmauern von Troja verwehrte. Im Auftrag von Apollon wurden dem Seemonster die Töchter der Stadt geopfert. Als Laomedons Tochter Hesione an der Reihe war, bot der König demjenigen, der die Kētos töten würde, seine unsterblichen Pferde als Lohn an[15][16][3].
Herakles meldete sich freiwillig und konnte durch eine List in das Innere der Kreatur gelangen. Dort bekämpfte er sie, indem er ihre Leber angriff. Als die Kētos tot war kam er aus der Leiche hervor, doch die Verdauungssäfte des Monsters hatten seine Haare zersetzt. Als Laomedon sich weigerte, Herakles den versprochenen Lohn zu geben, verwüstete dieser die Stadt und tötete den König und alle seine Kinder bis auf Hesione und Podarkes[15][16][3].
Diese Sage kam bereits in der Iliás im 8. Jahrhundert v.Chr. vor, weshalb sie vermutlich viel älter ist als die Sage von Perseus. Die älteste bekannte bildliche Darstellung stammt von einer korinthischen Vase[3], wo der abgebildete Kopf der Kreatur stark an einen Schädel erinnert. Aus diesem Grund gibt es Vermutungen, dass die Darstellung auf einem Fossil basieren könnte[17][18]. Andere Darstellungen des Kampfes stellen die Ketos sehr schlangenartig dar[3].
Ähnliche Monster[]
Babylonische Mythen[]
Eine der ältesten Darstellungen des Mythos von Perseus und Ketos stammt von einer korinthischen Vase aus dem 6. Jahrhundert vor Christus. Die Abbildung auf der Vase zeigt Perseus, der Steine auf das Ungeheuer schleudert, während Andromeda hinter ihm steht. Diese Darstellung basiert offensichtlich auf einem babylonischen Rollsiegel, das den Kampf zwischen Marduk und Tiamat darstellt. Dabei scheint der Künstler der Vase keine Kenntnis des babylonischen Mythos gehabt zu haben. So interpretiert er z. B. eine Sternenkonstellation, die im Hintergrund des Siegels abgebildet ist, als Steine, die Perseus auf Ketos wirft[3].
Griechische Mythen[]
Häufig wird Ketos mit der Meeresgöttin Ceto verwechselt. Sie war die Tochter von Pontos und Gaia, und, mit ihrem Bruder Phorkys, die Mutter von Echidna, Ladon, den Gorgonen und den Graiai[9]. Nach manchen Quellen ist Ceto die Mutter von Ketos.
Pausanias von Damaskus erzählt, dass während Perseus' Besuch in Lopolis einer der für Antiochia typischen Stürme ausbrach. Dieser ließ den Fluss Drakon (gr. für Drache/Schlange, heute heißt der Fluss Orontes gefährlich anschwellen. Der Legende nach soll der Fluss mit dem Gott Typhon gleichgesetzt werden[19].
Christliche Mythen[]
Auch der biblische Riesenfisch (heb.: דג גדול, dāḡ gāḏōl), der Jona verschlungen haben soll, wurde in der Septuaginta als kētos megas (κῆτος μέγας) bezeichnet, was in deutschen Versionen als Wal oder Fisch übersetzt wurde. In der Vulgata verwendet Hieronymus hingegen zwei verschiedene Wörter, nämlich piscis grandis (lat.: Großer Fisch) im Buch Jona und cētus im Buch Matthäus[20]. Jona betete im Bauch des Fisches drei Tage und drei Nächte, bevor er wieder ausgespuckt wurde[21]. Interessanterweise begann Jona seine Seereise in Joppa[22]. Die Episode wird als Symbol für Wiedergeburt gesehen und später von Jesus aufgegriffen, wenn er sich auf seine eigenen Auferstehung bezieht[20][23]. Dieser Wal wird oft auch mit dem Leviathan gleichgesetzt, im Midrash heißt es jedoch, dass er einer der Fische ist, die von Leviathan gefressen werden[24].
Eine Episode aus dem auf griechisch geschriebenen apokryphen Buch Der Hirte des Hermas beschreibt, wie ein enormes Monster, ähnlich einem Ketos, auf den Protagonisten zustürmt. Die Kreatur war einhundert Fuß lang, hatte einen Kopf der an einen Kessel erinnert und feurige Heuschrecken kamen aus seinem Maul. Der Hirte vertraut auf Gott, ihn zu retten, und bleibt im Pfad des Ketos stehen. Doch die Kreatur macht halt und bleibt am Boden liegen, so dass der Hirte an ihr vorrübergehen kann. So kann er erkennen, dass der Kopf vier Farben hat, nämlich schwarz, blutrot, golden und weiß. Danach hat er eine Vision, in der eine himmlische Jungfrau ihm erklärt, dass Gott einen Engel namens Thegri geschickt hat, um ihn vor dem Monster zu retten[25][3].
Die Drachentöter-Sage über St. Georg erinnert in einigen Aspekten an Perseus und Ketos, jedoch wird Georgs Antagonist nicht als wal- oder fischähnlich beschrieben und meist entsprechend aktuell gängiger Konventionen als Drache dargestellt. Wie bei Perseus wurde auch hier eine Königstochter als Opfer dargebracht, die der Held rettete. Er erlegte das Tier in den Sümpfen bei Joppa. Dieser Drache wird meist als krokodilartig, aber geflügelt beschrieben, während die Darstellungen von zwei- oder vierbeinigen Echsen bis zu Westlichen Drachen und Wyvern reichen. In den meisten Darstellungen ist das Tier relativ klein und hat eine Flügelspanne von höchstens 3 Metern. Damit weicht der Drache stark von den Seemonstern ab, die als Ketos oder Cetus bezeichnet werden[10].
Da die Legende von St. Georg erst im 12. Jahrhundert, also über ein halbes Jahrtausend nach der Legende von St. Georg als Märtyrer, nachgewiesen werden kann, und da es starke Parallelen zu der Geschichte von Perseus und anderen Drachentötern gibt, ist zu vermuten, dass die Tötung des Drachens St. Georg erst später angedichtet wurde und auf der Legende von Perseus basiert. Aus dem Seemonster wurde ein Drache, da dieser als Symbol des Teufels von dem christlichen Heiligen überwunden werden muss, um das Böse zu besiegen[26].
Hinduistische Mythen[]
Ketos-Darstellungen, die über die Seidenstraße nach Indien kamen, könnten als Inspiration für Darstellungen von Makara gedient haben[13].
In der Populärkultur[]
- Die Beschreibung der nackten Prinzessin in Kallimachos und Chrysorrhoe ist möglicherweise inspiriert von der Sage von Andromeda und Perseus.
- Auf dem Kampf von Perseus gegen Ketos basiert auch der Kampf des Ritters Roland gegen das Seemonster Orc in Ludovico Ariostos Epos Orlando Furioso (dt. Der Rasende Roland). Roland rettet die Prinzessin Angelika, die als Parallele zu Andromeda ebenfalls an einen Felsen gekettet ist, und reitet dabei einen Hippogryph[27].
- Ein von Gustave Doré für Arisotos Werk angefertigter Holzstich der Szene inspirierte wiederum Walter Moers zu einer Szene in Wilde Reise durch die Nacht, in der Gustave eine Prinzessin auf der Insel der gepeinigten Jungfrauen vor einem Drachen rettet[28].
- Im Film Kampf der Titanen von 1981 kam Cetus als ein von Ray Harryhausen mit Stop Motion Technik animiertes Seemonster vor, jedoch wurde der Name in der finalen Version des Films in Kraken geändert, obwohl der Kraken aus der nordischen Mythologie stammt. In der deutschen Version heißt die Kreatur nur noch "Seeungeheuer"[29].
- Die Kreatur im Film hat einen meerjungfrauenartigen Körperbau, jedoch mit schuppigem Gesicht und vier Armen.
- In Joseph Niggs Büchern "Drachen & andere Sagengestalten" und "Drachen" wird die Spezies der Joppa-Drachen beschrieben, welche an Wale erinnern und sehr groß werden können. Zu dieser Spezies gehörten die Drachen, die von Perseus und St. Georg getötet wurden[10][30].
- Eine Darstellung der trojanischen Ketos als körperloser Schädel wurde vermutlich zum Vorbild der Darstellung des Dämons Python im Videospiel Shin Megami Tensei.
Trivia[]
- Das Wort Cetus als Bezeichnung für Wale wurde später auch deren wissenschaftliche Bezeichnung, Cetacea.
- Griechische Darstellungen von Kete beeinflussten noch lange die Darstellungen von Walen in der europäischen Naturwissenschaft, wie z.B. den Steipereidur auf Abraham Ortellius Island-Karte in Theatrum Orbis Terrarum (1570). Im 17. Jahrhundert kamen dann naturrealistischere Illustrationen auf[2].
Quellen[]
- ↑ Aristoteles (4. Jahrhundert v.Chr.), Περὶ τὰ ζῷα ἱστορίαι (Historia animalium)
- ↑ 2,0 2,1 2,2 John K. Papadopoulos, Deborah Ruscillo (2002), A Ketos in Early Athens: An Archaeology of Whales and Sea Monsters in the Greek World, American Journal of Archaeology Vol. 106, No. 2, https://doi.org/10.2307/4126243, https://www.jstor.org/stable/4126243
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 3,7 Daniel Ogden (2013), Drakōn: Dragon Myth and Serpent Cult in the Greek and Roman Worlds, Oxford University Press, Print ISBN-13: 9780199557325
- ↑ Publius Ovidius Naso (ca. 1 - 8 n.Chr.), Metamorphoses
- ↑ Gaius Valerius Flaccus (1. Jahrhundert), Argonautica
- ↑ Euripides (ca. 416 v.Chr.), Ἡρακλῆς μαινόμενος (Hēraklēs Mainomenos)
- ↑ Lykophron aus Chalkis (2. Jahrhundert v.Chr.), Ἀλεξάνδρα (Alexandra)
- ↑ Kathleen Walker (2015), Chasing the Dragon's Tale: Europe's Fascination and Representation of the Dragon from the Twelfth to the Seventeenth Century, Masters Thesis, Kent State University
- ↑ 9,0 9,1 Hesiod (700 v.Chr.), Θεογονία (Theogonía)
- ↑ 10,0 10,1 10,2 10,3 Joseph Nigg (2007), Drachen & andere Sagengestalten, Bassermann, ISBN 978-3-8094-2079-8
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- ↑ Matt Kaplan (2013), The Science of Monsters: Why Monsters Came to Be and What Made Them so Terrifying, Hachette UK, ISBN 9781472101167
- ↑ John Topsell (2008), Drachen, Bassermann, ISBN 978-3-8094-2261-7