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Draco Sternbild Persisch

Persische Darstellung des Sternbildes Draco aus dem 17. oder 18. Jahrhundert

Gōzihr (auch Gōčihr oder gawzahr, arab.: jawzahr)[1] ist ein Drache (Azhdaha) der persischen und arabischen Astronomie.

Hintergrund[]

Marinus van der Sluijs vermutet, dass der Ursprung der Darstellung der Mondknoten das antike Ouroboros-Motiv ist. Dieses wurde bereits bei römischen und ägyptischen Autoren oft mit dem Himmel gleichgesetzt[2]. Laut der Mythologie der Chaldäer wurde der Drache vor den Konstellationen und den Planeten erschaffen, um über das Universum zu wachen[3].

In der indischen Astronomie kam im 4. und 5. Jahrhundert die Vorstellung auf, dass ein Himmelskörper, der mit dem Gott Rahu identifiziert wurde, Sonnen- und Mondfinsternisse auslösen würde[4][5]. Der Astronom Varahamihira beschrieb Rahu im 6. Jahrhundert in der Gestalt einer Schlange (Nāga)[6]. Zudem wurde der Gott Ketu manchmal mit einem Schlangen-Unterkörper dargestellt und symbolisiert den absteigenden Mondknoten[7][6].

Wichtig für das Verständnis der Motivgeschichte des kosmischen Drachen scheint das syrische Wort āṯālyā (syc.: ʾtlyʾ, auch atliya oder ahliya, cop.: ⲁⲑⲁⲗⲓⲁ, xpr.: ʾʾtʾlyʾ) zu sein. Auf nestorianischen Grabsteinen aus dem 13. Jahrhundert, die im Chüy-Tal in Kirgistan gefunden wurden, wird es verwendet, um den Drachen im Jahr des Drachen zu bezeichnen, obwohl das syrische Wort für Drache eigentlich taninā ist[8] und obwohl das turkische Wort für das Tierkreiszeichen Drache, luu, ebenfalls oft auf den Grabsteinen verwendet wird. Jedoch bezeichnet āṯālyā eigentlich eine Sonnen- oder Mondfinsternis[9][10].

Der russische Orientalist Daniil Awraamowitsch Chwolson vermutete, dass āṯālyā mit dem hebräischen Wort תלי (he.: t'lí oder téli, auch Tali[11]) verwandt ist, welches möglicherweise die Milchstraße bezeichnet und auf תנין‎ (he.: tannin, Drache, Schlange) zurückgeht. In späteren Texten wird תלי oft auf das Sternbild Draco bezogen, den Ursprung des Wortes vermutet Chwolson in der babylonischen Astrologie[12][13]. Er schloss, dass das Wort ursprünglich Drachen bezeichnete und erst später zu seine kosmologischen Bedeutung gekommen war, da in vielen Kulturen ein Drache vorkommt, der Sonne- oder Mond verschlingt und so eine Finsternis auslöst[14][10]. Spätere Forschungen zeigten jedoch, dass āṯālyā von altbabylonisch namtallûm und neubabylonisch/neuakkadisch anta(l)lûm, attalû abgeleitet werden kann, was Sonnen- oder Mondfinsternis bedeutet, aber keinen Bezug zu Schlangen oder Drachen hat[15]. In der babylonischen Mythologie wurden Sonnen- oder Mondfinsternisse als Omen von den Göttern ausgelöst[16].

Die Wissenschaftshistorikerin Sonja Brentjes weißt deshalb daraufhin, dass in mesopotamischen Texten keine klare Verbindung zwischen Drachen und Sonnen- und Mondfinsternissen gemacht werden kann. Das Sternbild Draco war damals unbekannt, während das Sternbild Hydra mit verschiedenen schlangenartigen Fabelwesen, nämlich mul MUŠ, Bašmu und Mušḫuššu assoziiert wurde[7]. Die einzige Verbindung zwischen einer Mondfinsternis und Schlangen sind die Utukkū Lemnūtu[17], eine Gruppe von sieben Monstern oder Dämonen, die den Mond angreifen, und unter denen auch ein Ušumgallu und eine Schlange (akk.: šibbu) sind. Auch in diesem Text wird attalû nur als Bezeichnung für die Mondfinsternis verwendet, nicht für eine bestimmte Kreatur. Erst im 6. und 7. Jahrhundert nach Christus wird āṯālyā erstmals als Drache definiert[16].

Persische Astronomie[]

Während der Herrschaft von Chosrau I. (531-579) wurden viele griechische und indische wissenschaftliche Texte in Pahlavi übersetzt und beeinflussten die persische Astronomie. Möglicherweise übernahmen die Perser in dieser Zeit auch das Konzept des Himmelskörpers, der Sonne und Mond verdunkelt, für den dann das Wort gozihr verwendet wurde[16]. Das Wort ist abgeleitet vom avestischen Wort für Mond, gao-čithra[18].

In persischen Texten umspannt der Drache den Himmel, von einem Drachenknoten zum anderen. Der Aufsteigende Knoten ist der Kopf des Drachen (pers. gōzihr sar), der Absteigende Knoten der Schwanz (pers. gōzihr dumb)[3][19]. Oft wird der Drache auch mit zwei Köpfen dargestellt, von denen einer die Sonne und einer den Mond bedroht[20]. Auf seinem Rücken trägt er sechs Sternzeichen, die anderen sechs hängen von seinem Bauch[19].

Da Mond- und Sonnenfinsternisse nur passieren, wenn beide Himmelskörper nahe den Mondknoten stehen, wurden sie ebenfalls nach Gōzihr benannt[19]. So wird Gōzihr auch als Feind des Mondes betrachtet[18]. Da Sonnen- und Mondfinsternisse irgendwann zu Ende sind und die jeweiligen Himmelskörper scheinbar unbeschadet wieder auftauchen, waren vom mittleren 12. bis zum späten 13. Jahrhundert Darstellungen des Drachen üblich, die einen Drachentöter beinhalten, der die Himmelskörper rettet[20].

In späteren Werken wurde der Drache mit der Milchstraße assoziiert, die als "Brillianz des Drachen" (brēh i gōzihr) bezeichnet wurde[19].

Manichäische und Mandäische Astronomie[]

Das Wort āṯālyā kommt auch in wenigen manichäischen Texten vor, nämlich in einem koptischen Psalm-Buch, zwei Fragmenten aus Turpan aus der Zeit des Partherreiches und einem syrischen Pergament. Die koptischen und parthischen Texte verwenden das Wort im gleichen Kontext, es wird beschrieben, dass die Sonne āṯālyā wie ein Kleidungsstück trägt. In einem mittelpersischen manichäischen Manuskript wird das Wort Gozihr in dem gleichen Kontext vor, hier tragen Sonne und Mond "Gozihr". Dies deutet darauf hin, dass auch manichäische Texte die beiden Wörter eher im klassischen Sinn als Sonnen- oder Mondfinsternis und nicht als Drache verwenden[16].

Auch in mandäischen Texten wurde das Wort tali, welches wie āṯālyā vom akkadischen attalû abgeleitet ist, in manchen modernen Übersetzungen als Drache interpretiert. Abgesehen vom Aspar Malwašia, einem mandäischen Horoskop-Buch, sind diese Übersetzungen aber zweifelhaft und scheinen sich häufig auf Mondfinsternisse zu beziehen. Das Aspar Malwašia zeigt in seiner überlieferten Form widerum starke sassanische und frühislamische Einflüsse, die die Drachen-Assoziation erklären dürften[16].

Syrische Astronomie[]

Einer der ältesten Texte, die das Wort āṯālyā eindeutig als Drache bezeichnen, wird traditionell dem christlichen syrischen Astronomen Severus Sebokht zugeschrieben, stammt aber vermutlich bereits aus dem späten 6. Jahrhundert. In diesem Text wird beschrieben, dass laut gewissen Astrologen Sonnen- und Mondfinsternisse von āṯālyā ausgelöst werden, einem Himmelskörper, der die Form eines Drachen (syc.: tannīnā) hat. Dass der Autor die Identität von āṯālyā als Drache genau erklären muss und dafür ein gängigeres Wort für Drache verwendet, scheint darauf hinzudeuten, dass die Assoziation zu dieser Zeit noch relativ jung und nicht allgemein bekannt war[16].

Der syrische Bischof Išoʿdad von Merw beschreibt āṯālyā im 9. Jahrhundert in seinen Bibelkommentaren sehr ähnlich, erwähnt jedoch keine Drachengestalt[21]. Die Causa Causarum (10./11. Jahrhundert) hingegen beschreibt die Drachen-Theorie, ohne das Wort āṯālyā zu verwenden[22].

Arabische Astronomie[]

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Darstellung des Jawzahr auf einem arabischen Manuskript, 12. Jahrhundert[5]

Muslimische Astronomen und Astrologen übernahmen des Konzept des Sternendrachen. Sein Name wurde als Jawzihr (ar.: الجوزهر, auch djawzahr, gawzar, jawzahr, jawizahr, jauzahr, jauzahar oder jawzahar) in die arabische Sprache übernommen. Bei den Arabern wurde der Drache auch auf die Knoten anderer Himmelskörper außer dem Mond angewandt. Für die Mondknoten verwendete man außerdem die Begriffe raʾs al-tennin and ḏanab al-tennin, vom arabischen Wort für Drache, Tanin (ar.: التنين‎)[19][18].

Durch arabische Einflüsse gelangte die Vorstellung des Drachenkopfes und -schwanzes im 9. und 10. Jahrhundert auch in die byzantinische Astronomie[16].

Seldschukische Kunst[]

In der seldschukischen Kunst sind Darstellungen von Drachen zusammen mit Himmelskörpern wie der Sonne (oft in Gestalt eines menschlichen Gesichtes) sehr häufig. Diese basieren vermutlich auf der Vorstellung des Planetendrachen Gozihr (Cauzehar). Typische Beispiele für solche Motive wurden u.a. in Susuz Han gefunden. Häufig wird das Sternbild Schütze als Zentaur dargestellt, der auf den Drachen schießt. Manchmal ist der Drache dabei auch der Schwanz des Zentauren[23].

Japanische Astronomie[]

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Rahu im Bonten kara zu

Einflüsse der persischen Astronomie sind sogar in Japan zu finden. So wird Rahu im Bonten kara zu (jap.: 梵天火羅図) und im Kuyō hiryaku (jap.: 宗観筆 九曜秘暦) auf einem Drachen reitend dargestellt, während Ketu einen Ochsen reitet. Dies geht laut dem Religionswissenschaftler Jeffrey Kotyk darauf zurück, dass Gōzihr als Drache dargestellt, aber auch mit Rindern assoziiert wird[24][25].

Sagen[]

Manche Sagen erzählen, vermutlich durch die Assoziation mit Sonnen- und Mondfinsternissen, dass der Drache die entsprechenden Himmelskörper verschlingt.

Eines Tages verkleidete Jawzahr sich als Gott und trank einen Trank, der nur für Götter gedacht war und Unsterblichkeit verleiht. Die Sonne und der Mond jedoch erwischten ihn dabei und berichteten den Göttern von Jawzahrs Diebstahl. Zur Strafe wurde er mit einem Diskus geköpft. Da er jedoch bereits unsterblich war, überlebte er die Strafe[26].

In der Populärkultur[]

  • Jawzahr ist der Namensgeber des gleichnamigen Liedes auf dem Album Dragon Mythos der Band KeyDragon.
  • In Roverandom kommt ein Drache vor, der für Mondfinsternisse verantwortlich ist. Es ist aber nicht bekannt, ob der Autor dafür von Gozihr inspiriert wurde.

Siehe auch[]

Quellen[]

  1. David Neil MacKenzie (1971), A Concise Pahlavi Dictionary, Oxford University Press, S. 37, ISBN 9780203462515, https://doi.org/10.4324/9780203462515
  2. Marinus Anthony van der Sluijs (2009), The Dragon of the Eclipses — A Note, Culture and Cosmos, Vol. 13, No. 1, S. 62-74, ISSN 1368-6534, http://dx.doi.org/10.46472/CC.0113.0207
  3. 3,0 3,1 David Neil MacKenzie (1964), Zoroastrian Astrology in the Bundahišn, Bulletin of the School of Oriental and African Studies , Volume 27 , Issue 3, S. 511-529, https://doi.org/10.1017/S0041977X0011835X, https://www.jstor.org/stable/611388
  4. Willy Hartner (1938), The Pseudoplanetary Nodes of the Moon's Orbit in Hindu and Islamic Iconographies, University of Michigan Press
  5. 5,0 5,1 G. Azarpay, A. D. Kilmer (1978), The Eclipse Dragon on an Arabic Frontispiece-Miniature, Journal of the American Oriental Society, Vol. 98, No. 4, S. 363-374, https://doi.org/10.2307/599748, https://www.jstor.org/stable/599748
  6. 6,0 6,1 Adalbert Gail (1980), Planets and Pseudoplanets in Indian Literature and Art with Special Reference to Nepal, East and West, Vol. 30, No. 1/4, S. 133-146, https://www.jstor.org/stable/29756562
  7. 7,0 7,1 Sonja Brentjes (2018), Visualization and Material Cultures of the Heavens in Eurasia and North Africa in Sabine Schmidtke (2018), Studying the Near and Middle East at the Institute for Advanced Study, Princeton, 1935–2018, de Gruyter, ISBN 9781463240035, https://doi.org/10.31826/9781463240035-020
  8. Jessie Payne Smith (1902), A Compendious Syriac Dictionary founded upon the Thesaurus Syriacus of R. Payne Smith, Oxford University Press, S. 616
  9. Robert Payne Smith (1879), Thesaurus Syriacus, Vol. I, Clarendon Press, Col. 432
  10. 10,0 10,1 Mark Dickens (2009), Syriac Gravestones In the Tashkent History Museum in Dietmar W. Winkler, Li Tang (2009), Hidden Treasures and Intercultural Encounters, Lit, S. 13-49, ISBN 978-3-643-50045-8
  11. Sefer Yezitah 6:1
  12. Marc Michael Epstein (1996), Harnessing the Dragon: A Mythos Transformed in Medieval Jewish Literature and Art in Laurie L. Patton, Wendey Doniger (1996), Myth and Method, University Press of Virginia, S. 352-389, ISBN 9780813916576
  13. Daniel Chwolson (1890), Syrisch-Nestorianische Grabinschriften aus Semirjetschie, Mémoires de L'Académie Impériale des Sciences de Saint-Pétersbourg, Tome XXXVII, G. Haessel, S. 122-123
  14. Daniel Chwolson (1897), Syrisch-nestorianische Grabinschriften aus Semirjetschie, neue Folge, Commissionnaires de l'Académie impériale des sciences, S. 59-60
  15. G. Furlani (1947), Tre trattati di astrologia siriaca sulle eclissi solare e lunare, Rendiconti della Reale Accademia Nazionale dei Lincei, S. 569-606
  16. 16,0 16,1 16,2 16,3 16,4 16,5 16,6 Adrian C. Pirtea (2017), Is There an Eclipse Dragon in Manichaeism? in Team Turfanforschung (2017), Zur lichten Heimat: Studien zu Manichäismus, Iranistik und Zentralasienkunde im Gedenken an Werner Sundermann, Harrassowitz Verlag, S. 535-554, ISBN 978-3447108843, https://doi.org/10.2307/j.ctv11qdw34.46, https://www.jstor.org/stable/j.ctv11qdw34.46
  17. E. Douglas Van Buren (1935-1936), Entwined Serpents, Archiv für Orientforschung, 10. Band, S. 53-65, https://www.jstor.org/stable/41634843
  18. 18,0 18,1 18,2 Bernhard Geiger (1933), Indo-Iranica. Kritische Bemerkungen zu E. Abegg, „Der Messiasglaube in Indien und Iran“, Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes, Vol. 40, S. 95-122, https://www.jstor.org/stable/23866971
  19. 19,0 19,1 19,2 19,3 19,4 Ehsan Yarshater, GŌZIHR in Encylopædia Iranica, Band 4, Fasc. 2, S. 184
  20. 20,0 20,1 Oya Pancaroğlu (2004), The Itinerant Dragon-Slayer: Forging Paths of Image and Identity in Medieval Anatolia, Gesta Vol. 43, Nr. 2, https://doi.org/10.2307/25067102, https://www.jstor.org/stable/25067102
  21. Išoʿdad von Merw (9. Jahrhundert), Commentaries
  22. K. Kayser (1889-1893), Das Buch von der Erkenntnis der Wahrheit, Vol. I, S. 222, fol. 101
  23. Gönül Öney (1969), Dragon Figures in Anatolian Seljuk Art, Belleten, Vol. 33, Issue 130, S. 193-216, ISSN 2791-6472
  24. Jeffrey Kotyk (2017), Astrological Iconography of Planetary Deities in Tang China: Near Eastern and Indian Icons in Chinese Buddhism, Journal of Chinese Buddhist Studies, Vol. 30, S. 33-88, ISSN 2313-2000
  25. Jeffrey Kotyk (2018), Japanese Buddhist Astrology and Astral Magic: Mikkyō and Sukuyōdō, Japanese Journal of Religious Studies, Vol. 45, Issue 1, S. 37-86, https://dx.doi.org/10.18874/jjrs.45.1.2018.37-86
  26. Gerrie McCall (2016), Dragons: Fearsome Monsters from Myth and Fiction, Amber Books Ltd, ISBN 1908696842