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Drachenstich

Der robotische Drache Tradinno

Der Further Drachenstich in Furth im Wald in der Oberpfalz gilt als ältestes Volksschauspiel Deutschlands. Seit 2018 gilt er als Immaterielles UNESCO-Kulturerbe[1].

Etymologie[]

Als Drachenstich wird allgemein das Töten eines Drachen bezeichnet. Lokal verbreitet ist die Bezeichnung in vielen Regionen in Süddeutschland und Österreich mit regionalen Drachensagen. Jedoch verwendet auch der Drachenstich in Beesel eine niederländische Form des Wortes.

Geschichte[]

Drachenstich2

Historische Darstellung des Drachenstichs

Vermutlich basiert der Drachenstich auf den üblichen Drachenkämpfen, wie sie in mittelalterlichen Legenden weit verbreitet sind, und versinnbildlicht den Sieg des "Guten" über das "Böse". Höchstwahrscheinlich handelte es sich ursprünglich um eine Darstellung der Legende von St. Georg. Seit "unvordenklichen Zeiten" wird in Furth im Wald der Lindwurm gestochen.

Ein erster Hinweis auf dieses uralte Brauchtum findet sich im Further Ratsbuch von 1590, wo erwähnt wird, dass ein Bürger in Ritterrüstung an der Fronleichnahmsprozession teilnahm. Wie weit die Tradition des Drachenstechens von dort aus noch in die Vergangenheit zurückreicht wird sich wohl nie mehr feststellen lassen. Zu viele alte Aufzeichnungen sind im Lauf der Jahrhunderte an der stets umkämpften bayerisch-böhmischen Grenze ein Raub der Flammen geworden.

Lange Zeit waren Drache und Ritter, die damals die Legende des heiligen Georg darstellten, Teil der Fronleichnahmsprozession. Derart effektvolle Fronleichtnahmsprozessionen waren als Protest gegenüber den Bilderfeinden der protestantischen und hussitischen Bewegungen üblich. Der älteste eindeutige Beweis für die Verwendung eines Drachen beim Fronleichnahmsumzug ist eine Urkunde aus 1646, die von einem selbst gebauten Lindwurm erzählt[2].

Jedoch wurde der Drachenstich immer mehr zur Belustigung für das Volk. So soll z.B. der Drache bei einem Auftritt nach den attraktivsten Zuschauerinnen geschnappt haben, bevor ein Ritter, der sich vorher in den Wirtshäusern Mut antrank, ihn erlegte. Wurde die Blutblase, die der damalige Drache im Maul hatte, mit der Lanze nicht getroffen, wurde er auch schonmal mit einem Vorderlader erschossen[3]. Adalbert Müller berichtete 1833, dass das Blut, das der Drache vergoss (bei dem es sich um Ochsenblut handelte) von den Zuschauern gesammelt und auf den Feldern als Dünger verwendet wurde[4].

Further-Drache-1864

Der Drache von 1864 bis 1912

Seit 1754 gab es häufig Probleme mit der Kirche, die derartige Ausschweifungen im Zusammenhang mit Fronleichnahm nicht gerne sah. 1878 wurde das Schauspiel sogar verboten, was jedoch von den Bürgern ignoriert wurde. Pünktlich zur Fronleichnahmsprozession stand ein Drache vor der Kirche. Der entsetzte Pfarrer soll die Prozession in der Kirche fortgeführt haben, während auf der Straße der Drache gestochen wurde. Dass der Drache den Furthern sehr wichtig ist fiel auch 1863 auf, als bei einem Stadtbrand der Kopf des Drachen aus der brennenden Stadt gerettet wurde[5][3]. Ein neuer Drache wurde 1864 eingeführt und blieb bis 1912 bestehen[6].

Als Reaktion auf das Verbot von 1878 und den Wiederstand dagegen ist der Drachenstich seit 1879 ein eigenständiges Festspiel abseits von Fronleichnahm[3]. Jedoch berichtet schon der Landeskundler Adalbert Müller im Jahr 1846, dass der Drachenstich für gewöhnlich erst am Sonntag nach Fronleichnam stattfindet. Müller berichtet Details über das Fest. Die Darsteller sind ein Ritter mit seinem Gefolge, eine Prinzessin und eine Ehrendame, die so genannte "Nachtreterin", die die Prinzessin begleitet. Der Prinzessin nimmt auf einer Bühne Platz, und der Drache bewegt sich auf sie zu, wobei er auch oft in die Menge rennt, um diese zu erschrecken oder einer Frau die Tellerhaube vom Kopf reisst. Schließlich reitet der Ritter auf den Drachen zu und versucht, mit seiner Lanze die in dessen Maul befindliche Blutblase zu treffen. Danach versetzt er dem Untier noch einige Hiebe mit dem Schwert und erschießt ihn schließlich mit einer Pistole[7][8].

1879 erhielt die Aufführung eine komplexere Handlung, welche im Laufe der Jahre immer wieder verändert und modernisiert wurde. So symbolisierte der Drache z.B. während des zweiten Weltkriegs die Feinde des Deutschen Reiches, während in Friedenszeiten die böhmischen Nachbarn auch im Stück wohlwollend betrachtet werden[3].

Drachenfamilie1913

Der Drache des Hoftheaters (links) und zwei frühere Drachen aus Furth

1913 verkaufte das Münchner Hoftheater seinen Drachen, der in Wagners Opfer Der Ring des Nibelungen den Lindwurm Fafner verkörperte, an die Further. 1947 wurde dieser Drache durch einen motorisierten Drachen ersetzt, welcher sogar Disney als Vorlage für den Film Dornröschen diente. Dieser hielt bis 1974 durch und wurde dann durch ein moderneres Modell auf Basis eines Gabelstaplers ersetzt[3], das die Further liebevoll "Lisbeth" nannten[2]. Von dem Drachen von 1947 ist heute nur noch der Kopf übrig, der in der Drachenhöhle aufbewahrt wird[9]. Die damals 280.000 DM teure Lisbeth enthält einen Flammenwerfer und vier Druckkammerlautsprecher, über die ein Brüllen vom Tonband abgespielt wird. Sie ist 18m lang, 3,5m breit und mit Flügeln 6m hoch. Dabei wiegt sie 6t[10].

Furtherdrache1947

Der Drache von 1947 bis 1974

1951 schrieb Josef Martin Bauer das noch heute genutzte Drehbuch, welches im Jahr 1431 während der Hussitenkriege spielt und einen Fahnenträger namens Udo als Drachentöter nennt. Dieses war damals noch stark vom verlorenen Weltkrieg und der Angst vor der Sovietunion geprägt. 2006 kreierte Alexander Etzel-Ragusa eine neue Version des Stücks, welche den Drachen in den Mittelpunkt der Handlung stellt[3]. Während 2006 noch beide Versionen aufgeführt wurden, wird seit 2007 ausschließlich Etzel-Ragusas Version gezeigt[11].

Tradinno / Fanny[]

Drachen1974 2010

Der Drache ab 2010 (links) und sein Vorgänger von 1974

Der seit 2010 benutzte Drache Tradinno wird von vier Menschen gesteuert und verfügt über (annähernd) realistische Bewegungen und Mimik. Sein Name ist eine Kombination aus Tradition und Innovation[12]. Die Further nennen den Drachen liebevoll auch Fanny[13].

Unter der Leitung der Zollner Elektronik AG vereinigten sich mehr als 20 Firmen und Institutionen, um das High-Tech-Monster zu realisieren: Hollywoods Effekt-Spezialisten von Magicon waren ebenso dabei wie führende Mechatronik- und Metallbaufirmen bis hin zu AUDI und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik. Insgesamt ist er 15,50 Meter lang, 3,80 Meter breit, 4,50 Meter hoch, hat eine Flügelspannweite von 12 Metern und ein Gewicht von 11 Tonnen. Damit ist er der größte vierbeinige Schreit-Roboter der Welt und steht als solcher auch im Guinness-Buch der Rekorde[12]. Betrieben wird der Drache durch einen 4-Zylinder TDI Motor[14].

Das Aussehen des Drachen wurde von Sikander Goldau entworfen und von Patrick Lehn in ein 3D-Modell übertragen und auf die Maße des von Zollner hergestellten Roboters angepasst. Danach wurden die mechanischen Komponenten zunächst aus Holz gefertigt und schließlich von einem Team von Bildhauern unter Leitung von Markus Donhauser aus Styropor nachgebaut. Darauf wurde aus Ton die Struktur der Drachenhaut modelliert, in Silikon abgeformt und mit Acrylat verstärkt. Daraus wurden Negativmodelle erzeugt, mit deren Hilfe die finale Drachenhaut aus Glasfaserverstärktem Kunststoff hergestellt wurde. Schließlich wurde der Drache von Hubert von Seidlein bemalt[14].

Sage[]

Einer Sage nach, die 1876 eine Frau aus der Oberpfalz dem Literaturhistoriker Ludwig Laistner erzählte, hauste der Drache einst an einer Quelle nahe Furth und verschlang regelmäßig junge Rinder. Dies war die einzige Quelle in der Umgebung, die im Sommer noch immer frisches und kühles Wasser gab. Als eine alte Witwe schwer krank wurde, bat sie deshalb ihre Tochter, ihr Wasser von dort zu holen. Zur Mittagsstunde ging das Mädchen zur Quelle und wurde dort von dem Drachen überrascht. Sie fiel in Ohnmacht, doch ein Ritter erschien, tötete den Drachen und hob das Mädchen auf sein Pferd. Kurze Zeit später heirateten das Mädchen und der Ritter[5].

Das Stück[]

Further-Drache-1913

Weiteres Bild des Further Drachen von 1913

Die Handlung des heutigen Drachenstichs spielt während der Hussitenkriege im Jahr 1431. An der bayerisch-böhmischen Grenze finden die Vorbereitungen für den Kreuzzug der deutschen Reichsritter gegen die böhmischen Hussiten statt. In der von den Schlachten stark gebeutelten Grenzstadt Furth im Wald versucht die "Ritterin", eine junge Adelige und Nichte des herzoglichen Pflegers Peter von Chamerau, Kriegsflüchtlinge und Bürger mit Nahrung zu versorgen und beim Wiederaufbau der Häuser und des Gemeinswesens zu helfen.

Es kommt zum Konflikt zwischen von Chamerau, der die Stadt Furth vernachlässigt und sich lieber am Hof in Straubing herumtreibt, und dem Ritter Erasmus von Sattelbogen, dem beim Volk beliebten Rivalen des Pflegers. Im Zuge dieses Konflikts kommt scheinbar Udo, der Lehensmann des Sattelbogner und Verlobte der Ritterin, zu Tode.

Vom Krieg erweckt nähert sich der uralte Drache der Stadt. Laut dem Stück war er in grauer Vorzeit der Beschützer der Menschen, der ihnen die Nutzung des Feuers lehrte. Als die Menschen jedoch begannen, gegeneinander Kriege zu führen und das Land zu verheeren, begann der Drache aus Mangel an anderer Nahrung, sich von Menschen zu ernähren und wurde, nachdem er auf den Geschmack gekommen war, zum erbitterten Feind der Menschen. Nur durch das Opfer einer Unschuldigen konnte der Drache in die Hölle verbannt werden.

Im Laufe des Stücks werden immer wieder Stellen aus der Offenbarung des Johannes zitiert, die den Drachen mit dem Drachen der Apokalypse gleichsetzen. Die Legende besagt, dass der Drache nur durch Mut oder Opfermut bezwungen werden könne. Jemand, der noch nie einen Menschen getötet hatte, müsse den Drachen töten oder sich von ihm fressen lassen, um ihn endgültig zu besiegen.

Die Ritterin stellt sich freiwillig, aber auch auf Drängen ihres Onkels, als Opfer für den Drachen zur Verfügung. Im letzten Moment stellt sich heraus, dass Udo noch am Leben ist, und er zieht los, den Drachen zu erlegen. In einem effektreichen Kampf erlegt Udo das Untier und rettet Furth im Wald vor der Bedrohung.

Kinderdrachenstich[]

Kinderdrachenstich Furth-im-Wald Hugo

Der Drache Hugo

Neben dem normalen Drachenstich wird im August auch ein Kinderdrachenstich aufgeführt. Bei diesem sind alle Darsteller Kinder. Die Handlung ist eine typische Prinzessin und Drache-Geschichte, bei der ein Ritter die Prinzessin vor dem Drachen Hugo rettet[15]. Im Jahr 2023 wurde der Drache nach 25 Jahren durch ein neueres Modell ersetzt[16].

Trivia[]

  • Nach dem Drachenstich ist der 2009 entstandene Stausee Drachensee benannt[17].

Galerie[]

Siehe auch[]

Quellen[]

  1. Further Drachenstich, Bundesweites Verzeichnis Immaterielles Kulturerbe, Deutsche UNESCO-Komission
  2. 2,0 2,1 Zwei Drachen – eine Geschichte, Mittelbayerische (2018), archiviert am 16. April 2021
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 Alexander Etzel-Ragusa (2011), Der Drachenstich (Programmheft)
  4. Adalbert Müller (1883), Sagen und Legenden der Bayern in einer Reihenfolge von Romanen und Balladen, Reitmayr, S. 179
  5. 5,0 5,1 Ludwig Laistner (1879), Nebelsagen, Spemann, S. 261-262
  6. Drachenstich-festspiele e.V., Facebook
  7. Adalbert Müller (1846), Beiträge zur Geschichte und Topographie der alten Grenzstadt Furth im Walde in Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg, Band 10, Demmler, urn:nbn:de:bvb:355-rbh-786-4
  8. 93. Der Drachenstich zu Furth im Walde in Alexander Schöppner (1852), Sagenbuch der Bayerischen Lande, Band 1, Rieger
  9. Drachenstich - Festspiele e.V., Facebook
  10. Johanna Lautner (2024), Drachenstich in Furth im Wald 1974, BR24 Retro
  11. Anton Hötzelsperger (2020), Der Drachen vom Bayerischen Wald, Samberger Nachrichten
  12. 12,0 12,1 Projektrealisierung Tradinno, Zollner, archiviert am 25. Mai 2014
  13. Wolfgang Baumgartner (2017), „Fanny“ putzt sich für ihre Reise raus, Mittelbayerische, archiviert am 9. April 2017
  14. 14,0 14,1 Further Drache, Magicon
  15. Ein Drache namens Hugo, eine Prinzessin und ein edler Ritter, Historisches Kinderfest Furth im Wald, archiviert am 23. April 2016
  16. Melanie Bäumler (2023), Kinderdrachenstich Furth im Wald: 19.000 Euro für neuen Drachen, TVA
  17. Der Drachensee