
Illustration von Johann Jacob Scheuchzer, 1723
Von den Drachen im Stulser-Gebirge erzählen mehrere graubündener Sagen. Mit dem "Stulser-Gebirge" sind die Berge bei Stugl gemeint, da die Ortschaft in der bündnerromanischen Sprache "Stuls" heißt.
Sage[]
Im Jahr 1696 sah der Kuhhirte Bartolome Alegro de Ponte bei Stuls (dt.: Stugl) auf dem Berg "Joppatsch" ein großes, zusammengerolltes Tier, das feuerrot glänzte. Neugierig näherte er sich der Kreatur, die ihn noch nicht bemerkt hatte[1][2].
Als er zu nahe kam richtete die Kreatur sich auf und er konnte sie genauer erkennen. Es war ein fünf Meter langer Drache mit einem gedrungenen, katzenartigen Kopf, leuchtenden Augen und Schlangenzunge. Um den Hals hatte er einen weißen Streifen, und an den Füßen Fischschuppen und einige "Anhängsel". Außerdem hatte er zwei Schwänze[1][2].
Der Hirte floh sofort, doch der Drache war schnell und stellte ihm nach. Hinter einem Steinblock konnte der Hirste Deckung suchen, doch der Drache verfolgte ihn um den Felsen herum. Frustriert stieß der Drache mit dem Kopf gegen den Stein, um ihn umzustürzen. Dies gelang ihm aber nicht, und er sank betäubt zu Boden[1][2].
Dies nutzte der Hirte, um sein Gewehr zu laden und auf den Drachen zu schießen. Jedoch tötete die Kugel das Tier nicht, sondern sorgte dafür, dass es wieder aufsprang und wütend hin und her sprang. Dabei stieß es erneut gegen den Felsen und ging wieder zu Boden. Da er in dem Chaos seine Munition verschüttet hatte, nahm der Hirte jetzt einen Stein auf und erschlug den Drachen damit[1][2].
Da der Drache sehr schwer war, gelang es dem Mann nicht, ihn ins Tal mitzunehmen. Drei Tage später kehrte er aber mit anderen zurück, und sie fanden den Kadaver mit Fliegen bedeckt[1][2].
Andere Drachen[]
Aus der Gegend gibt es noch andere Berichte von Hirten, laut denen Drachen von Felsgipfeln aus schlängelnd durch die Luft segelten[2].
Augustin Salis aus Bergün erzählte von einem gewaltigen Wurm, der Mitte des 16. Jahrhunderts auf einem Hügel in der Sonne lag. Man erlegte ihn mit einem Gewehr, woraufhin das tote Tier von dem Hügel herabrutschte. Die giftigen Ausdünstungen des Kadavers ließen den Drachentöter erblinden und seinen Körper anschwellen, so dass er monatelang mit dem Tode kämpfte[1][2].
Hintergrund[]
Die ersten schriftlichen Berichte dieser Drachen stammen von Johann Jakob Scheuchzer, welcher sie 1723 in seiner Ouresiphoites Helveticus auflistete. Scheuchzer gibt an, dass ihn die Beschreibung des Drachen 1702 durch den Pfarrer von Stugl, Peter von Juvalt, erreichte. Tatsächlich schrieb aber bereits 1699 Johannes Leonhardi, der Pfarrer von Nufenen GR, dass er die besagte Geschichte von Juvalt erhalten hatte und bei Gelegenheit aus dem Rätoromanischen ins Deutsche übersetzen müsse. Bereits im Dezember 1699 erhielt Scheuchzer die versprochene Übersetzung von Leonhardi[3].
Die Beschreibung des katzenartigen Kopfes erinnert an die Legenden von Tatzelwürmern, die im Alpenraum ebenfalls verbreitet sind.
Scheuchzer vergleicht die rote Farbe des Drachen mit dem biblischen Drachen der Apokalypse[1].
Quellen[]
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 Johann Georg Sulzer (1746), Johann Jacob Scheuchzers Natur-Geschichte des Schweizerlandes: sammt seinen Reisen über die schweitzerische Gebürge, Teil 2, S. 235-236, https://doi.org/10.3931/e-rara-27207
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 Drachen im Stulser-Gebirge in Dietrich Jecklin (1874), Volksthümliches aus Graubünden, Zenodot Verlagsgesellschaft (2014), S. 85-87, ISBN 978-3843039864
- ↑ Jon Mathieu (2019), Warum verschwanden die Drachen aus dem Alpenraum? Die Aufklärung neu befragt, Vortrag im Anschluss an die Generalversammlung der Historischen Gesellschaft Luzern