Die Drachen der Wahrscheinlichkeit sind Drachen aus Stanisław Lems Kurzgeschichte Die dritte Reise oder von den Drachen der Wahrscheinlichkeit (pl. Wyprawa trzecia, czyli smoki prawdopodobieństwa), die in seiner Kurzgeschichtensammlung Kyberiade veröffentlicht wurde. Drachen existieren nicht, da sie sehr unwahrscheinlich sind.
Drakologie[]
Mit der Erforschung der Drachen beschäftigt sich die Drakologie, die an der Neantischen Hochschule gelehrt wird. Professor für Allgemeine Drachentheorie war Kerebron Emtadrat. Die Hochschule beschäftigt sich nicht mit Dingen die existieren, da die Banalität der Existenz schon zu lange erwiesen ist.
Die Konstrukteure Trurl und Klapauzius, Protagonisten der Kyberiade, studierten und arbeiten ebenfalls an der Hochschule.
Allgemein[]
Es gibt (nicht) drei Arten von Drachen:
- Nulldrachen, auch Nuller genannt
- Imaginäre Drachen, auch Einbilder genannt
- Negative Drachen
Werden zwei negative Drachen herborisiert (In der Drachenalgebra das Äquivalent der Multiplikation der Arithmetik), entsteht ein Minidrache der Menge 0,6. Spezialisten diskutierten einst kontrovers, ob es sich dabei um den Teil des Drachen vom Kopf- oder Schwanzende handelt, jedoch konnten Trurl und Klapauzius beides widerlegen, indem sie die Wahrscheinlichkeitsrechnung auf Drachen anwenden und so die probabilistische Drakologie erschufen.
Laut Trurl und Klapauzius ist ein Drache thermodynamisch nur statistisch unmöglich, ähnlich anderen Fabelwesen wie Elfen, Waldschraten, Heinzelmännchen, Gnomen oder Hexen. Laut Trurls Berechnungen würde nur ungefähr alle 16 Quintoquadrillionen Heptillionen Jahre ein Drache spontan erscheinen.
Geschichte[]
Um einen Drachen zu erschaffen, baute Trurl einen Wahrscheinlichkeitsverstärker. Er wählte den Drachen als Testobjekt, da ein solcher immer noch wahrscheinlicher ist als z.B. ein Heinzelmännchen oder Elf. Ein erster Test in seinem Keller misslang, bevor er den Verstärker erneut testete, auf einem von der Akademie gestifteten drakogenetischen Polygon, dem Drakolygon.
Tatsächlich erschien ein Drache, der jedoch mit einem Bein nach Trurl ausschlug. Klapauzius reagierte, indem er die Wahrscheinlichkeit des Drachen wieder senkte und der Drache verschwand.
Die Drachenplage[]
Im Laufe der Zeit experimentierten noch andere Gelehrte mit dem Drakotron, und da nicht alle so schnell reagierten wie Klapauzius, gelangten einige Drachen in die Freiheit und entwickelten sich zur Plage. Es stellte sich nämlich heraus, dass Drachen, sobald sie erstmal existieren, eine hohe Wahrscheinlichkeit haben. Die Drachen verbreiteten sich auf Planeten und Monden und hinterließen durch ihr Getrampel, Gebrüll und Feuer eine Spur der Zerstörung. Manche verlangten sogar Abgaben in Form von Jungfrauen. Die Drachen verhielten sich als indeterministische, nichtlokale Drachen also exakt entsprechend Trurls Theorie, aber wider jedem Anstand.
Drachenjäger begannen, nach den Kreaturen zu jagen. Jedoch fliehen die Tiere, wenn sie gejagt werden, instinktiv aus dem realen in den konfigurativen Raum. Nicht-Wissenschaftler verlangten, Zutritt zu diesem "Raum" zu erhalten, ohne zu verstehen, dass es sich nicht um einen realen Ort handelt.
Währenddessen forschte die Wissenschaft weiter an den Drachen. Kyber Harboriseus verquantete als erster einen Drachen, legte die Einheit Drakon fest und fixierte die Windung des Schwanzes, wofür er fast mit dem Leben bezahlte. Weitere Forschungen von Trurl und Klapauzius ergaben, dass ein Drache in dem Grade existiert, der von seiner Laune und vom Zustand der allgemeinen Sättigung abhängt. Klapauzius veröffentlichte sogar das Buch "Die kovarianten Übergänge von Drachen zu Schlangen oder der spezifische Fall des Übergangs von physisch verbotenen zu polizeilich verbotenen Zuständen".
Das Volk jedoch fühlte sich von den Forschern verraten, verprügelte Trurl und verlangte eine Lösung. Trurl kam zu dem Schluss, dass die einzige verläßliche Liquidationsmethode die Reduktion der Wahrscheinlichkeit auf Null oder negative Werte sei.
Basilius der Emerdwaner[]
Zu dieser Zeit reiste ein Konstrukteur namens Basilius der Emerdwaner in der Milchstraße herum und auf allen Welten, auf denen er ankam, tauchten zur gleichen Zeit weitere Drachen auf. Basilius ging jeweils zu den örtlichen Herrschern, bot an, sie von der Drachenplage zu erlösen, und verlangte dafür ein sehr hohes Honorar. Meist gelang ihm das auch, jedoch wusste niemand, wie er es denn tat.
Trurl und Klapauzius vermuteten, dass Basilius die Drachen in einem potentiellen Zustand, also mit einer Wahrscheinilchkeit von beinahe Null, mit sich führte und vor Ort mithilfe eines Drakotron wahrscheinlicher machte. Mit einem nihilisierenden Retrokreator annuliert er sie dann, oder er senkt sogar nur zeitweilig die Wahrscheinlichkeit der Drachen, um mit dem Geld zu verschwinden bevor die eine Null-Fluktuation zur Aktivierung der Drakomatritze führt und die Drachen wieder auftauchen. Die Konstrukteure ziehen in Erwägung, Basilius dem Hauptamt für Drachenregulierung zu melden, entscheiden sich aber dagegen und beschließen, den Kollegen selbst zu stellen.
Sie führen eine Unterhaltung, die laut dem Autor zu technisch für den Leser ist, da sie Begriffe wie "Drachenzähler", "ungeschwänzte Transformation", "schwache drakonale Reaktionen", "Diffraktion und Diffusion von Drachen", "harter Drache", "weicher Drache", "draco probabilisticus", "labiles Basiliskenspektrum", "Drache im Zustand der Erregung" und "Annihilation zweiter Drachen mit entgegengesetztem Amok im Kraftfeld allgemeiner Kopflosigkeit" enthält.
Beide Konstrukteure statteten sich mit Anti-Drachen-Ausrüstung aus und reisten auf verschiedene Welten, um nach Basilius zu suchen. Dabei fanden sie heraus, dass es nicht viele reale Drachen gab, aber es von virtuellen Drachen nur so wimmelte. Diese existieren zwar nicht und sind auch nicht wahrnehmbar, könnten laut Kyber-Trurl-Klapauzius-Minog aber jederzeit spontan anfangen zu existieren. Bei zu hoher Wahrscheinlichkeit könnte sogar ein Superdrache entstehen.
Truflofora[]
Klapauzius reiste von Planet zu Planet und stellte in Städten und Dörfern auf Plätzen Drakoreduktoren auf, um die Wahrscheinlichkeit der Drachen zu senken. In Truflofora, dem Reich von König Grellius, trifft er auf die Religion der Drakonistischen Pneumatologie, laut der die Drachen die Strafe für Sünden sind und unsaubere Seelen besitzen. Die Bewohner Trufloforas verwenden Weihrauch und Reliquien, um die Drachen fernzuhalten.
Tatsächlich fand Klapauzius auf dem Planeten nur einen Drachen, ein Weibchen aus der Gattung der Jechiden. Offenbar kann der Jechide als Pluralität an vielen Orten gleichzeitig existieren. Dies ist möglich, da die Lokalisierung der Drachen Drakoanomalien unterliegt und manche Exemplare im Raum verwischt sein können, was ein gewöhnlicher Effekt der isospinalen Verstärkung des Quantenmoments ist. Aus diesem Grund wirken Drachen pluralistisch, obwohl sie singulär sind.
Von König Grellius erfuhr Klapauzius, dass sein Kollege Trurl bereits vor Ort war und in die nahegelegenen Berge aufbrach, um den Drachen aufzuspüren. Kurze Zeit darauf kam Trurl mit 24 Drachenzähnen zurück und verlangte sein Honorar, doch es kam zum Streit mit dem König und Trurl verschwand wieder. Der Drache aber tauchte weiterhin auf.
Klapauzius auf Drachenjagd[]
Klapauzius reiste also auch in die Berge und nahm seine stärksten drakoziden Mittel mit. Er erkannte am Schwefelgeruch und den Spuren des Drachen, aber auch am Ausschlag seines Drachenzählers, der langsam von 0 in Richtung 1 ging, dass er auf dem richtigen Weg war. Jedoch verwunderte es ihn, dass sein ehrbarer Kollege Trurl ein Honorar gefordert hätte, ohne den Drachen wirklich vernichtet zu haben, oder dass ihm das gar nicht gelungen wäre.
Unterwegs traf Klapauzius Einheimische, die dem Drachen Tribut in Form von Schätzen und ausländischem Parfüm brachten. Dies verwunderte Klapauzius noch mehr, da Drachen mit Geld nichts anfangen könnten und Parfüm niemals ihren Gestank überwinden könnte. Für gewöhnlich verlangen Drachen nur Jungfrauen. Die Leute berichten, dass der Drache einst Jungfrauen verlangte, aber seit Trurl hier war, habe sich das geändert.
Klapauzius suchte weiter mithilfe seines Drakonindikators, und der Drachenzähler blieb lange auf 8/10 Drachen stehen, bis nach einer Stunde der Zeiger auf 9/10 Drachen umschlug. Als er seinen Entdrakonisator auspackte, begann der Zeiger zu schwanken. Da erblickte er das riesige Drachenweibchen, dunkelgrau und abgemagert, und in dem Moment fiel ihm auch ein, dass der Drache vielleicht darum keine Jungfrauen verlangt, weil er ein Weibchen ist.
Klapauzius überlegte, das Vorzeichen der Drachenmatrix von positiv auf negativ zu setzen, um die statistische Wahrscheinlichkeit eines Nichtdrachens höher zu machen als eines Drachens. Jedoch würde eine winzige Oszillation zu einem Nichtlachen führen, außerdem wollte er den Drachen nicht vollständig annihilieren, da er ihn sonst nicht mehr erforschen kann. Er plante, die Drachenhaut in sein Arbeitszimmer zu hängen, eine wissenschaftliche Arbeit über dessen seltsames Verhalten zu schreiben oder ihn gar an einen Drachenzoo zu verkaufen.
Deshalb lud er seine Donnerbüchse mit einem Antikopf. Dieser basiert darauf, dass Mehrköpfige Drachen, so genannte Vielköpfer, schon seit langem ausgestorben sind, da ihre Köpfe sich ständig streiten und Nahrung und Atmung verweigern, nur um den anderen Köpfen zu schaden. Deshalb pflanzt die von Euphorius erfundene Antikopfbüchse dem Drachen einen winzigen Elektronenkopf ein, der ihn ablenkt und so bis zu einem ganzen Jahr lähmen kann.
Unerwarteterweise jedoch brüllte der Drache nur kurz wütend auf und lief dann weg. Über dieses seltsame Verhalten könnte Klapauzius eine ganze Monographie schreiben, und er jagte dem Untier nach. Er verwendet den Unwahrscheinlichkeitswerfer, um die Wahrscheinlichkeit des Drachen extrem zu senken. Obwohl durch die erhöhte Unwahrscheinlichkeit ein vorbeifliegender Schmetterling in Morse das zweite Dschungelbuch zu senden begann, Wahrsagerinnen, Hexen und Wurzelweibchen auftauchten und sogar Zentauren begannen, den Drachen zu jagen, blieb der Drache bestehen.
Klapauzius warf eine Antidrachengranate und hörte aus der Rauchwolke einen Hilfeschrei. Aus der Wolke tauchte sein Kollege Trurl auf, hantierte am Drachenhals herum und schaltete den Drachen aus.
Trurls Geschichte[]
Trurl erzählte Klapauzius, dass er den Drachen erlegt hatte und vom König sein Honorar verlangte, dieser aber die Bezahlung verweigerte. Also ging Trurl, stopfte das Untier aus, stattete es mit antiprobabilistischen Schirmen aus, um es vor Drachenjägern wie Basilius zu schützen, und verlangte als Drache von den Einwohnern Abgaben, die das vereinbarte Honorar mittlerweile weit überstiegen.
Jedoch strengte ihn das Schleppen von Schätzen und des mechanischen Drachens so sehr an, dass er mittlerweile genug davon hatte. Die Geschichte endet damit, dass Trurl Klapauzius bittet, ihm beim Tragen einiger Säcke Platin zu helfen.
Quellen[]
- Stanisław Lem (1983), Die dritte Reise oder von den Drachen der Wahrscheinlichkeit in Wie die Welt noch einmal davonkam - Der Kyberiade erster Teil, Suhrkamp, ISBN 3-518-37681-0