
Der Drache von Rhodos nach Athansius Kircher, 1665
Der Drache von Rhodos soll laut Abbé Réné-Aubert Vertots Geschichte des Johanniterordens einst die Stadt Rhodos auf der gleichnamigen griechischen Insel bedroht haben.
Sage[]

Sir Dieudonné tötet den Drachen, 1883
Zwei Meilen von der Stadt Rhodos entfernt lebte in einem Sumpf ein Drache, der das Vieh der Bauern und sogar den ein oder anderen Schäfer riss. Sein Unterschlupf war eine Höhle im Hügel St. Stephen. Die schuppige Haut des Drachen soll zu zäh gewesen sein, als dass Pfeile sie durchdringen konnten. Da das Tier schon viele Möchtegern-Drachentöter verschlungen hatte, verbot der Großmeister des Johanniterordens seinen Männern, den Drachen aufzuschrecken [1].
Ein Johanniter namens Dieudonné de Gozon missachtete im Jahre 1344 (laut Eberhard Werner Happel 1345 und laut Renward Cysat 1346[2]) dieses Verbot und schmiedete von Frankreich aus einen Plan. Er hatte beobachtet, dass das Tier am Bauch keine Schuppen hatte. So ließ er eine lebensechte Statue des Drachen anfertigen und achtete genau darauf, dass die Farben naturgetreu abgebildet wurden[1]. Die Statue wird folgendermaßen beschrieben: So groß wie ein Pferd, hatte einen Schlangenkopf mit den Ohren eines Maultiers und feurige Augen. Seine vier Beine erinnerten an ein Krokodil, während die Flügel die Farbe von Delphinen hatten. Der Schwanz erinnert an eine Eidechse[3].
Dann trainierte er zwei Hunde darauf, den verwundbaren Bauch des Drachen anzugreifen, während er den Drachen beritten attackierte. Dann kehrte er nach Rhodos zurück und ging nur mit zwei französischen Dienern und seinen Waffen zu einer Kirche auf dem Hügel St. Stephen[1].
Er befahl den Dienern, zu ihm zu kommen, wenn er verwundet würde oder den Drachen getötet hatte. Sollte er allerdings sterben, sollen sie nach Frankreich zurückkehren. Dann ritt er mit den Hunden in den Sumpf und griff den Drachen mit seiner Lanze an, die von den Schuppen abprallte. Aus Furcht vor dem Drachen schreckte sein Pferd zurück und begann zu fliehen, doch er konnte rechtzeitig abspringen[1].

Holzschnitt von 1852
Nachdem mehrere Schläge seines Schwertes von der Haut des Drachen abgeprallt waren, brachte ihn die Kreatur mit ihrem langen Schwanz zu Fall. Der Drache hätte ihn verschlungen, wenn die Hunde nicht bei dieser Gelegenheit seinen Bauch angegriffen hätten. Dies gab Dieudonné die Gelegenheit, sein Schwert in eine ungeschuppte Stelle zu stoßen. Im Todeskampf fiel der Drache auf den Ritter, doch seine beiden Diener eilten zu ihm und zogen seinen leblosen Körper unter dem Kadaver des Drachen hervor. Mit etwas Wasser konnten sie ihn aus seiner Bewusstlosigkeit erwecken[1].
Zurück in der Stadt wurde Dieudonné von den Bewohnern mit Freuden empfangen, doch der Großmeister ließ ihn ins Gefängnis sperren, da er die Anweisungen misachtet hatte. Letztendlich kam er frei, wurde allerdings aus dem Orden verbannt. Später änderte der Großmeister allerdings seine Meinung und nahm Dieudonné wieder in den Johanniterorden auf[1].
Der Kopf des Drachen wurde an einem der sieben Stadttore von Rhodos aufgehängt, wo er im Jahr 1637 von einem französischen Reisenden namens Thévenot gesehen wurde. Angeblich wurde er im Jahr 1839 entsorgt[3].
1346 wurde Gonzon zum neuen Großmeister ernannt. Sein Grab trägt die Inschrift Draconis Extinctor (lat.: Drachentöter). Die Familie de Gonzon hatte noch lange später einen Drachenstein in ihrem Besitz, der aus dem Kopf des Drachen stammen soll. Dieser hatte die Form einer Olive, war aber größer und glänzte wie Jaspis. Legte man ihn in kaltes Wasser, fing dieses zu kochen an und wurde zu einem wirksamen Gegengift[4][3].
Hintergrund[]
Die älteste Version der Sage stammt aus dem Jahr 1521. Eine ähnliche Drachentötersage von der Insel Kos gibt es bereits aus dem Jahr 1420[3]. Vertot übernahm die Geschichte vermutlich aus Giacomo Bosios Geschichte des Johanniterordens[5]. Vertot führt die Sage auf die altgriechische Mythologie zurück, laut der Phorbas Rhodos von Schlangen befreite[1]. Im 15. Jahrhundert lebte ein reicher Mann nahe der Stadt Rhodos, der den Spitznamen Il Dracone (it.: Der Drache) trug. Möglicherweise blieb der Name als Ortsname seines Grundstücks nach seinem Tod vorhanden und wurde später als Beleg für eine Drachentötung interpretiert[3].
Der Historiker Karl Herquet vermutet hingegen, dass dass die Sage auf der bereits erwähnten Sage aus Kos basiert. In dieser war der Drache eine verwandelte Jungfrau, und alle, die sie durch einen Kuss erlösen wollten, kamen zu Tode. Der erfolgreiche Drachentöter aus einer späteren Version aus Kos und auch aus der rhodischen Version hingegen stand dem Drachen von vornherein feindselig gegenüber. Dies liegt daran, dass der Jungfrauen-Drache für die Verführung steht und jeder, der dieser nachgeben und die Jungfrau küssen möchte, bereits verloren ist. Ein johannitischer Ordensbruder hingegen soll der Versuchung widerstehen und dem Drachen feinselig gegenübertreten, wodurch er ihn bezwingen kann[6].
Eine andere Version der Sage erzählt, dass Dieudonné nach der Tötung des Drachen dessen Zunge abschnitt, womit er einige Tage später, als jemand anderes sich als Drachentöter ausgab, beweisen konnte, dass er der echte Drachentöter war[3]. Dieses Motiv kommt in vielen Sagen vor, z.B. Die zwei Brüder, Tristan und Isolde oder Wolfdietrich. Auch das Motiv der Hunde, die dem Drachentöter beistehen, kommt in vielen Märchen und Sagen vor, z.B. Die drei Hunde, Bisterne Dragon oder Janni und die Draken.
Eine modernere Sage aus Rhodos erzählt von einem türkischen Derwisch, der einen Drachen tötete, indem er ihm vierzig mit Ätzkalk gefüllte Esel zu fressen gab. Diese Sage soll auf dem am Tor angebrachten Drachenkopf basieren[3].
Die detaillierte Beschreibung der von de Gonzon angefertigten Statue lässt Frederick Hasluck vermuten, dass es sich dabei um eine Drachenfigur aus einer Prozession handelt, wie sie in Frankreich und Spanien verbreitet sind[3]. Beispiele dafür sind z.B. die Víbria oder die Grand Bailla.
Es gibt auch Vermutungen, dass die Sage auf einem echten Krokodil basiert. Ein ausgestopfter Kopf eines solchen Tieres, aufgehängt am Stadttor von Rhodos, wurde im 17. Jahrhundert vom französischen Reisenden Jean de Thévenot beschrieben[3], konnte aber von späteren Forschern nicht mehr ausfindig gemacht werden[6].
In der Populärkultur[]
- Friedrich Schiller verarbeitete die Legende 1798 in seiner Ballade Der Kampf mit dem Drachen, in der der Ritter es als seine Pflicht ansieht, den Drachen zu töten. Dies gelingt ihm auch, jedoch wird er daraufhin vom Großmeister für seinen Ungehorsam gescholten[7][8]. Bereits 1792 schrieb Schiller das Vorwort für Friedrich Immanuel Niethammers deutsche Übersetzung von Vertots Geschichte des Johanniterordens.
Trivia[]
- R. A. Boulay vergleicht die französische Sage eines Sieur Dieudonne aus Abbe de Vertots Geschichte des Johanniterordens mit der des britischen Drachentöters Gerolde[9] aus Dragons and Unicorns - A Natural History.
- Athanasius Kirchers Darstellung des Drachen ist eine der ältesten Darstellungen eines vierbeinigen Drachen in der naturwissenschaftlichen Literatur.
Einzelnachweise[]
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 Abbé de Vertot (1770), The History of the Knights Hospitallers of St. John of Jerusalem; Styled Afterwards, the Knights of Rhodes, and at Present, the Knights of Malta
- ↑ Von Drachen vnnd Lindtwürmen vnnd von dem Drachen-Stein so in der Statt Lucern gefunden wirdt in Johann Leopold Cysat (1661), Beschreibung deß Berühmbten Lucerner- oder 4. Waldstätten Sees, vnd dessen Fürtrefflichen Qualiteten vnd sonderbaaren Eygenschafften, Hautt, S. 168
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 3,7 3,8 Frederick W. Hasluck (1913), Dieudonné de Gozon and the Dragon of Rhodes in The Annual of the British School at Athens, Vol. 20, https://doi.org/10.1017/S0068245400009400, http://www.jstor.org/stable/30096465
- ↑ Johann Jakob Scheuchzer (1706), Beschreibung der Natur-Geschichten des Schweizerlands, Zweyter Theil, S. 113-123, https://doi.org/10.5962/bhl.title.65822
- ↑ Giacomo Bosio (1594), https://archive.org/details/bub%20gb%20moTcyv1sePkC/page/n3/mode/2up Dell'istoria della sacra religione et ill.ma militia di San Giouanni gierosolimitano di Iacomo Bosio parte prima terza, nella stamperia apost. Vaticana, S. 55
- ↑ 6,0 6,1 Dr. Karl Herquet (1869), Der Kern der rhodischen Drachensage, Wochenblatt der Johanniter-Ordens Balley Brandenburg, Nr. 25, S. 151-154
- ↑ Der Kampf mit dem Drachen in Friedrich Schiller (1798), Musen-Almanach für das Jahr 1799, J. G. Gotta
- ↑ Kampf mit dem Drachen in Ludwig Rudolph (1869), Schiller-Lexikon. Erläuterndes Wörterbuch zu Schiller’s Dichterwerken, 1. Band,S. 524-527
- ↑ R. A. Boulay (1999), Flying Serpents and Dragons: The Story of Mankind's Reptilian Past, BOOK TREE, ISBN 978-1885395382