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Lycosthenes-Hydra

Conrad Lycosthenes Hydra, 1557

Der Kaufmann (nap.: Lo mercante) ist ein neapolitanisches Märchen. Es wurde in den 1630ern von Giambattista Basile in seiner Sammlung Pentameron veröffentlicht.

Handlung[]

Das Märchen handelt vom reichen Kaufmann Antoniello und seinen Söhnen Cienzo und Meo. Die Söhne sahen einander so ähnlich, dass niemand sie unterscheiden konnte. Eines Tages spielte der ältere Sohne Cienzo mit dem Sohn des Königs von Neapel am Meeresufer und bewarf ihn dabei mit einem Stein, wodurch er ihm den Schädel einschlug. Antoniello schalt ihn dafür und warnte ihn vor der Strafe, die ihm nun von Seiten des Königs drohte. Er riet ihm deshalb, aus der Stadt zu fliehen, und gab ihm Geld, ein schnelles Pferd und einen Hund mit[1].

Auf der Reise schlug Cienzo sein erstes Nachtlager in einem Wald nahe Cascano auf. In diesem Wald fand er ein altes Haus am Fuß eines Turmes und klopfte dort an. Als ihn im Turm aus Furcht vor Räubern niemand einließ, ließ er sich in dem verfallenen Haus nieder. Kaum hatte er aber die Augen geschlossen, wurde er durch das Bellen seines Hundes geweckt und hörte im Dunkeln Schritte. Sofort sprang er auf und begann wild um sich zu schlagen, traf jedoch niemanden. So legte er sich wieder schlafen, bis er kurz darauf am Fuß gezogen wurde. Er sprang erneut auf und forderte den Fremden auf, sich zu zeigen. Er bekam die Antwort: "Steige zu mir herunter, und dann werde ich dir sagen, wer ich bin."[1]

Nach einiger Suche fand Cienzo die Leiter in den Keller und stieg hinab. Unten brannte Licht und er sah drei Gestalten, die klagten: "Oh weh, du schöner Schatz, jetzt müssen wir dich verlieren." Sie übergaben Cienzo ihren Schatz und verschwanden auf mysteriöse Weise. Cienzo fand jedoch die Leiter nach oben nicht mehr und musste warten, bis der Herr des Turmes am Morgen in das Haus kam. Dieser ließ eine neue Leiter herab und rettete Cienzo. Der Hausherr wollte den Schatz mit Cienzo teilen, doch dieser lehnte ab und ritt mit seinem Hund und Pferd weiter[1].

Nach längerer Zeit kam er in einen düsteren Wald und dort an einen Fluss. Dort begegnete er einer Fee, die von einer Gruppe Räuber umringt war, die drohten, sie zu vergewaltigen. Cienzo nahm seinen Degen und tötete die Angreifer, und die Fee lud ihn in ihren Palast ein. Sie wollte ihm eine Belohnung geben, doch Cienzo lehnte erneut ab und ritt weiter. Schließlich kam er an einen Palast, der ganz in schwarzen Trauerflor gehüllt war. Man erzählte ihm, dass ein siebenköpfiger Drache das Land verheerte[1].

Dieser hatte Katzenköpfe mit Hahnenkämmen, feurig brennende Augen, ein Maul wie ein Bullenbeißer, Flügel wie eine Fledermaus, Bärenkrallen und einen Schlangenschwanz. Jeden Tag verschlang er einen Menschen, und am heutigen Tag war das Los auf Menechella gefallen, die Tochter des Königs. Die Prinzessin wurde an eine Höhle geführt, aus der der Drache hervorkam. Doch Cienzo nahm seinen Degen und schlug dem Drachen einen Kopf ab, so dass dieser zu Boden fiel. Sofort rieb der Drache seinen Hals an ein Kraut und der Kopf fügte sich wieder an. Cienzo ließ sich nicht beirren und schlug ihm jetzt alle sieben Köpfe zugleich ab. Dann schnitt er ihnen die Zungen heraus, warf die Köpfe eine Meile vom Körper fort, damit sie nicht mehr anwuchsen, und nahm sich selbst etwas von dem heilenden Kraut. Er schickte die Prinzessin zurück in den Palast und kehrte selbst in einem Wirtshaus ein[1].

Als der König von der Prinzessin erfahren hatte, dass der Drache tot war, bot er ihre Hand dem Drachentöter an. Doch ein Bauer hatte die Köpfe des Drachen gefunden und gab sich beim König als Drachentöter aus. Der König übergab ihm sogleich seine Krone, und als sich das Gerücht von diesem Vorfall verbreitete, kam es auch Cienzo zu Ohren. Also schrieb er einen Brief an die Prinzessin und bat sie, dem König die Wahrheit zu erzählen. Sein Hund überbrachte den Brief und weigerte sich, ihn irgendjemanden außer der Prinzessin zu geben. Diese überreichte ihn dann dem König, und dieser ließ zwei Hofleute dem Hund nachgehen. Diese brachte Cienzo in den Palast und man verlangte von ihm, zu beweisen, dass er der Drachentöter war. Er ließ die Köpfe bringen und zeigte, dass ihnen die Zungen fehlten. Nun holte er selbst die Zungen hervor. Der König wollte den Bauern die Galeerenstrafe auferlegen, doch Cienzo bat ihn, den Mann zu verschonen. Man ließ ein großes Fest feiern und Cienzo vermählte sich mit der Prinzessin[1].

Doch am nächsten Morgen sah er durch das Fenster ein hübsches Mädchen und erkundigte sich bei seiner Frau, wer dies sei. Diese schalt ihn dafür, eine andere Frau anzusehen. Dennoch schlich er sich später in das Haus des Mädchens. Tatsächlich hatte diese ihn mit ihrer Zauberkraft verführt und ließ ihn sogleich in Ketten legen. Währenddessen wunderte sich Meo, noch nichts von seinem Bruder gehört zu haben. Deshalb ging er los, um ihn zu suchen. Auch er erhielt ein Pferd und einen Hund vom Vater und kam zunächst den den Turm. Dort hielt der Hausherr ihn für Cienzo und empfing ihn herzlich. Dann ritt er weiter und traf die Fee, die ihn ebenfalls verwechselte und freundlich aufnahm. Wieder zog er weiter und kam den den Palast, gerade am Abend des Tages, als Cienzo gefesselt worden war. Er wurde von der Prinzessin, die ihn ebenfalls für ihren Mann hielt, mit Freuden empfangen und sie fragte ihn, wo er so lange gewesen war. Er klärte das Missverständnis nicht auf und ging mit ihr Essen und dann ins Bett. Doch da er nicht mit der Frau seines Bruders schlafen wollte, drehte er sich weg und legte das Betttuch zwischen sie. Die Prinzessin war wütend, doch Meo behauptete, dass der Arzt ihm eine Diät verschrieben hatte und er sich deshalb schwach fühlte[1].

Morgens trat Meo beim Ankleiden an das gleiche Fenster wie Cienzo am Vortag, und erblickte ebenfalls das schöne Mädchen. Auch er erkundigte sich, wer die Fremde war, und wieder reagierte die Prinzessin wütend. Er konnte sie schließlich besänftigen und behauptete, dass die schönste Frau der Welt ihn nicht zur Untreue verführen könne. Als die Prinzessin sich dann aber zurecht machen ließ, schlich auch er sich zu der schönen Frau, da er dort seinen Bruder vermutete. Auch ihn wollte sie fesseln, doch er hetzte seinen Hund auf sie und dieser verschlang sie am Stück. Dann fand er seinen hypnotisierten Bruder, doch als er diesem zwei Haare des Hundes auflegte, wachte er auf. Meo erzählte Cienzo alles was passiert war, doch als er erwähnte, dass er bei seiner Frau im Bett war, schlug ihm Cienzo mit seinem Degen den Kopf ab, bevor er erwähnen konnte, dass er nicht mit ihr geschlafen hatte[1].

Der König und seine Tochter hörten den Lärm und sahen, dass Cienzo gerade einen Mann getötet hatte. Sie fragten nach dem Grund dafür, und er warf der Prinzessin vor, mit seinem Bruder geschlafen zu haben. Doch die Prinzessin erzählte ihm, was wirklich passiert war, und er bereute zutiefst, was er getan hatte. Doch dann fiel ihm das Kraut des Drachen ein und er rieb Meos Hals damit ein. Sofort wuchs der Kopf wieder an und Cienzo entschuldigte sich sofort. Dann kehrten sie in den Palast zurück und luden auch Antoniello und die ganze Familie ein. Diesem fiel zu seinem Sohn nur das Sprichwort "Mehr Glück als Verstand" ein[1].

Hintergrund[]

Das Märchen erinnert stark an das deutsche Märchen Die zwei Brüder, das österreichische Die zwei Fischersöhne, das italienische Der Drachentödter oder das spanische Die Ritter vom Fisch sowie andere Vertreter von "ATU 303 Die Zwillinge oder Blutsbrüder" aus dem Aarne-Thompson-Uther-Index. Auch in diesem tötet ein Bruder einen Drachen und heiratet eine Prinzessin, muss dann aber von seinem identischen Bruder gerettet werden, während dieser sich als er ausgibt. Das Motiv der abgeschnittenen Zungen als Beweis für den wahren Drachentöter kommt hier ebenfalls vor, so wie auch bei Tristan und Isolde, Geschwind wie der Wind, Pack-an, Eisenfest, Von den Räubern und der Prinzessin, die einem Drachen versprochen war, Georgic und Merlin und weiteren Märchen. "Geschwind wie der Wind" und Die drei Hunde enthalten auch das Motiv der Stadt in Trauer, in der der Drache wütet.

Der mehrköpfige Drache, dessen Köpfe verheilen, erinnert an die Hydra von Lerna aus der griechischen Mythologie. Wie Herakles durch das Gift der Hydra seine Pfeile noch tödlicher macht, erhält auch Cienzo durch das Kraut des Drachen einen nützlichen Gegenstand, der ihm im späteren Verlauf der Geschichte hilft. Anders als die Hydra kann der Drache seine Köpfe jedoch nicht aus eigener Kraft regenerieren, sondern muss die abgetrennten Köpfe wieder anwachsen lassen[2], ähnlich dem Lambton Worm. Auch in Grimms Märchen von den drei Schlangenblättern und in der griechischen Sage von Glaukos kennt eine Schlange die Heilkraft bestimmter Kräuter, die auch der Held so erlernt[3].

Suzanne Magnanini argumentiert, dass der Drache in dem Märchen bewusst als weniger mächtig dargestellt wird als z.B. die Hydra oder andere Märchendrachen. Im Trauergesang um die Prinzessin verkommt er zu einem schwarzen Kokon, in dem die Prinzessin gefangen ist, nur um dann metaphorisch noch schöner daraus hervorzukommen. Die regenerative Fähigkeit des Drachen wird ebenfalls nicht als übernatürlich dargestellt, sondern mit der Fähigkeit einer Eidechse verglichen, ihren abgeworfenen Schwanz zu regenerieren[2].

Die Beschreibung des Drachen erinnert stark an die Hydra von Venedig, die 1557 durch Conrad Lycosthenes erstmals beschrieben wurde. Einzig die Flügel scheint Basile dazugedichtet zu haben. Basile war zwischen 1612 und 1613 am Hof von Gonzaga, wo laut Ulisse Aldrovandi eine ähnliche ausgestopfte Hydra ausgestellt war[2].

Quellen[]

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 7. Der Kaufmann in Giambattista Basile (1634-1636), Lo cunto de li cunti, Übersetzung: Felix Liebrecht (1985), Das Pentameron oder Das Märchen aller Märchen, ISBN 3763229760
  2. 2,0 2,1 2,2 Suzanne Magnanini (2005), Foils and Fakes: The Hydra in Giambattista Basile's Dragon-Slayer Tale, "Lo mercante", Marvels & Tales, Vol. 19, No. 2, https://www.jstor.org/stable/41388749
  3. Anmerkungen zu den einzelnen Märchen in Wilhelm und Jacob Grimm (1856), Kinder- und Hausmärchen, Band 3, 3. Auflage, Dieterich
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