Der Ausbruch des Gadriasees ist eine Sage aus dem Vinschgau in Südtirol.
Sage[]
Man erzählt sich, dass sich unter dem Hügel zwischen Schlanders und Laas eine untergegangene Stadt befindet. Vor langer Zeit, als diese Stadt noch existierte, war die St.-Georgs-Kirche über Kortsch ein beliebter Wallfahrtsort. Doch je mehr Wallfahrer in die Stadt kamen, desto weniger kümmerten sich die Einwohner um den Heiligen. Deshalb ließ St. Georg als Warnung manchmal Murbrüche aus dem Gadriatal kommen, um die Felder zu zerstören. Doch die Menschen verstanden die Warnung nicht und bauten Mauern, um sich vor den Erdrutschen zu schützen[1].
So musste der Heilige zu drastischeren Maßnahmen greifen und sandte seinen Drachen aus. Dieser ließ sich in einer Höhle an dem See nieder, den es im Gadriatal damals noch gab, und begann sofort, die Herden der Städter zu dezimieren. Doch die Menschen ersannen eine List und nähten ein Paket aus Kalbshaut, gefüllt mit Ätzkalk. Diesen Köder legten sie für den Drachen aus, der ihn für ein Kalb hielt und am Stück verschlang. Danach ging er im See schwimmen, und als der Kalk mit dem Wasser in Kontakt kam bereitete es dem Drachen große Schmerzen. So schlug er um sich und zerstörte dabei den Damm, der den See vom Tal trennte[1].
Sofort stürzten die Wassermassen ins Tal hinab und rissen große Mengen an Geröll mit sich. Dieses begrub die ganze Stadt unter sich. Der Drache hingegen wurde fast tot zwischen Terlan und Bozen angespült, wo er in seinen letzten Zuckungen noch sieben Eichen mit seinem Schwanz umriss. Dies soll der Ursprung des Ortsnamens Siebeneich sein[1].
Hintergrund[]
Dass ein Drache einen Damm durchbricht und so einen Bergsee ins Tal stürzen lässt ist in alpenländischen Sagen ein häufiges Motiv[2]. Weitere Beispiele finden sich nicht nur in Österreich (Riesachsee, Gradenbach, Grimmingboden, Klachau, Lechtal, Wildschönau, Fresach) sondern auch in Bayern (Nußdorf, Geißalpsee), der Schweiz (Embden) und Slowenien (Tržič, Solčava).
In vielen dieser Sagen ist jedoch das Verhalten des Drachen selbst der Auslöser des Unglücks anstatt eines Fehlers der Menschen. Dass in der Sage vom Gadriasee die Drachentötung dazu führt, dass der See ausbricht, deckt sich nur mit einer Version der Sage von Wildschönau und der Sage vom Amberger Wurm. Durch das Selbstverschulden der Menschen durch ihre mangelnde Frömmigkeit (ebenfalls ein Element das auch in Wildschönau vorkommt) wird die Sage in die Nähe eines anderen Sagentyps gerückt, der z.B. im Bezirk Reutte in Tirol vorkommt. So gibt es z.B. in Breitenwang und am Urisee Sagen, in denen eine gottvergessene Frau ihr Kind mit Brotkrumen anstatt eines Tuches sauberwischt und so den Zorn des Himmels auf sich zieht, der sie in einen Drachen verwandelt und das Haus in einem See versinken lässt. Noch ähnlicher ist die Sage vom Drachensee bei Mieming, in der St. Magnus ein Dorf im See versinken lässt, da die Menschen vom Glauben abgekommen sind. Auch die Sage vom Piburger See hat Ähnlichkeiten.
Quellen[]
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Der Ausbruch des Gadriasees in Ignaz Zingerle (1891), Sagen aus Tirol, 2. Auflage, Verlag der Wagner'schen Universitäts-Buchhandlung
- ↑ Die Sage vom Untergange der Stadt Haidach in Dr. Paul Weitlaner (1952), Heimat Wildschönau: ein Heimatbuch, Schlern-Schriften Nr. 218, Universitätsverlag Wagner (1962)