Drachen Wiki
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Lindorm, Richard Svensson

Darstellung auf Basis der Augenzeugenberichte

Der Lindorm (Schwedisch und Dänisch für Lindwurm, auch drake oder hjulorm, nor.: linnorm) ist ein Fabelwesen der skandinavischen Folklore, das meist als große Schlange, teilweise mit Beinen, beschrieben wird. Obwohl der Name von Lindwurm (von althochdeutsch lint und wurm bzw. altnordisch linnr, linni und ormr) abgeleitet zu sein scheint, impliziert der Name in manchen Mythen eine Verbindung zu Linden, unter deren Rinde der Lindorm seine Eier zu legen scheint.

Parallel zu den Geschichten vom Tatzelwurm oder Drachensichtungen wie diejenige von Marcus Atilius Regulus in Nordafrika handelt es sich bei Lindorm-Geschichten meist auch um Augenzeugenberichte einzelner Personen, weshalb sie eher den Kryptiden als den Fabelwesen zuzuordnen sind. Angeblich basieren die Sichtungen auf großen Schlangen oder ähnlichen Tieren.

Folklore[]

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Petroglyphe von Tanum, ca. 1000 v.Chr.

Schlangensagen gibt es in Skandinavien, wie im Rest der Welt, vermutlich seit sehr langer Zeit. Eine ca. 3000 Jahre alte Petroglyphe aus Tanum in Schweden zeigt einen Mann, der einer Schlange gegenübersteht. Möglicherweise handelt es sich um eine Darstellung der Schlange, die in der mesopotamischen Mythologie die Blume des ewigen Lebens von Gilgamesch stielt. Diese Sage könnte über mediterrane Händler nach Nordeuropa gelangt sein[1].

Das Wort lindorm hingegen ist verwandt mit dem deutschen Lindwurm und enstammt der Kombination zweier Wörter für Schlangen, linni und ormr. Eine der ältesten schriftlich überliefterten Geschichten eines Lindorms, aus dem 9. Jahrhundert, ist die Sage von Ragnar loðbrók, welcher Tora, die Tochter eines Jarls, vor dem Tier rettet. Hier handelt es sich noch um eine klassische Drachentöter-Geschichte. Ab dem 11. Jahrhundert tauchen schlangenartige Fabelwesen mit Beinen als Ornamente auf Runensteinen auf, so genannte Rundrakar.

In späteren Geschichten wird der Lindorm für gewöhnlich nicht mehr als Synonym zum Drachen angesehen, der Drache wird zu einer übernatürlichen Kreatur, während der Lindorm eher als ungewöhnliches einheimisches Tier angesehen wird[2]. Auch entstand aufgrund der Namensähnlichkeit zur Linde, einer Baumgattung, die Vorstellung, dass Lindormar in den besagten Bäumen leben oder daraus geboren werden[3]. Dennoch gibt es noch viele Sagen um Lindormar, die den typischen Motiven europäischer Drachensagen entsprechen, z.B. der Farum Lindorm oder der Gøttrup lindorm. Manche Sagen erinnern auch an die alpenländischen Sagen um Weiße Würmer. Sehr häufig ist in Dänemark das Orm og Tyr-Motiv, bei dem ein Lindorm von einem Stier getötet wird.

Der Lindorm ist oft ein mächtiger Gegner. So erzählt z.B. eine Geschichte aus Blekinge von einer Stadt, die rasch größer wurde und sich dabei in den Wald eines Lindorms ausbreitete. Dieser reagierte darauf, indem er begann, sich von den Menschen der Stadt zu ernähren. Die Bewohner können ihn erst töten, als sie seinen Wald niederbrennen, jedoch fing dabei auch die Stadt Feuer und brannte nieder.

Diverse Mythen sollen davon erzählen, dass Lindormar die Seelen Verstorbener sind, während sie laut anderen Mythen Trolle, Feen oder sogar eine Form des Teufels darstellen.

Kryptozoologie[]

Sigfrid Aron Forsius[]

1611 schrieb der schwedische Astronom Sigfrid Aron Forsius seine Physica, wo er den Drachen und Lindorm als zwei verschiedene Tiere beschreibt. Der Lindorm soll so groß sein, dass er Schafe und Rinder erbeuten kann[4].

Gunnar Olof Hyltén-Cavallius[]

1884 veröffentlichte der schwedische Folklorist und Kulturhistoriker Gunnar Olof Hyltén-Cavallius ein Buch namens Om Draken eller Lindormen (swe. Vom Drachen oder Lindwurm), in dem er die im Laufe seiner folkloristischen Forschungen gesammelten Informationen über Lindormar sammelte. Er war nämlich in den Jahren zuvor, bei der Recherche zu einem Buch über die Folklore und Sagen Schwedens, vermehrt über Lindorm-Geschichten und -Augenzeugenberichte gestolpert, die ihn zu dem Schluss brachten, es handele sich nicht um ein Fabelwesen, sondern um ein reales Tier[2].

Hyltén-Cavallius verfasste außerdem einen Brief an die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften, in dem er über seine Ergebnisse berichtete. Er erhielt auch eine Antwort von Fredrik Adam Smitt, dem Kurator des Naturhistoriska riksmuseet in Stockholm, in dem dieser eine Belohnung von 100 Kronen für jeden anbot, der ihm einen Lindorm bringen könne, der länger als 8 Fuß sei[5]. Jedoch schrieb ihm auch der Sekretär der Akademie, Daniel Georg Lindhagen, dass es sich vermutlich nur um eine Ringelnatter handelt, die sehr groß werden können, wenn auch nicht so groß wie in den Sagen beschrieben[6]. Weitere Briefe von Hyltén erreichten über Umwege Christian Herbst vom Dänischen Nationalmuseum, der im Namen des Museums sogar tausend oder zweitausend Kronen für ein Exemplar anbot[7].

Ermutigt durch die von den Museen ausgesetzten Belohnungen bot Hylténs jedem, der ihm einen frisch getöteten oder in Alkohol eingelegten Schlangendrachen brachte, hundert bis tausend Kronen an, je nach Zustand des Kadavers. Ein Flugblatt darüber schickte er an alle Kirchen in Värend, damit sie es aushängen würden[8]. Schon nach kurzer Zeit griff die Presse den Fall auf und veröffentlichte offensichtliche Falschmeldungen über den Lindorm, um sich über Hyltén lustig zu machen[9].

Trotz seiner Bemühungen wurde Hyltén-Cavallius zum Gespött unter den Zoologen seiner Zeit. Der Naturforscher Hjalmar Mosén erwähnte den Lindorm in seinem Buch Ormhistorier, dem ersten in Schwedisch geschriebenen zoologischen Buch über Schlangen, als Trivialnamen der Ringelnatter und machte sich ebenfalls über Hyltén lustig[10]. Mit der Unterstützung einiger weniger Freunde setzte er seine Nachforschungen jedoch bis zu seinem Lebensende fort. Während Hyltén-Cavallius nie ein lebendes oder totes Exemplar des Lindorm zu Gesicht bekam, erzählten ihm doch viele Personen ihre Augenzeugenberichte, die er sammelte und 1886 in einer überarbeiteten Version von Om Draken eller Lindormen veröffentlichte. Da Hyltén-Cavallius' Buch außerhalb Skandinaviens weitgehend unbekannt blieb, wird sein Werk selten im Kontext der Kryptozoologie behandelt, die acht Jahre später durch Anthonie Oudemans The Great Sea Serpent begründet wurde[3].

Beschreibung[]

Laut Hyltén-Cavallius ist der Lindorm eine dunkel gefärbte Würgeschlange, die bis zu 5m lang und so breit wie der Oberschenkel eines erwachsenen Mannes werden kann. Auf dem Kopf befindet sich bei manchen Exemplaren ein Kamm aus Schuppen, der an eine Pferdemähne erinnert. Wenn ein Lindorm gestört wird, richtet er sich auf, wobei er seinen Kopf bis zu 1,5m hoch heben kann[2].

Anhand der Berichte kam er zu dem Schluss, dass der Lindorm in ganz Småland verbreitet ist, vor allem nahe Seen und Flüssen, wo sie sich unter Felsen verstecken. Schwimmen sie, halten sie den Kopf immer über Wasser. Während Längen bis zu 5m vorkommen, sind die meisten Tiere nicht länger als 3m. Der Rücken der Tiere sei dunkel, während der Bauch gelblich ist. Der kurze Schwanz lässt sie plump erscheinen[2].

Werden die Tiere belästigt, richten sie sich auf und fauchen, bevor sie versuchen zu fliehen. Sollte es zum Kampf kommen, sprühen sie eine giftige Flüssigkeit, die einen Menschen sogar töten kann. Der Tote stinkt danach noch penetranter als eine normale Leiche[2].

Manche Augenzeugenberichte, die Hyltén-Cavallius für reine Fantasie hält, berichten, wie das Tier seinen Schwanz in den Mund nimmt und sich zu einem Ring formt, um sich rollend forzubewegen[2]. Auch in manchen Sagen kommt die Beschreibung vor, hier wird eine Schlange, die dieses Verhalten zeigt, als huggenagen (Dänisch) oder hjulorm (Schwedisch) bezeichnet[11][12]. Ähnliches wird von anderen mythologischen Schlangen wie der Hoop snake oder der Amphisbaene berichtet. Tatsächlich wurde dieses Verhalten 2023 bei Zwergschlangen der Spezies Pseudorabdion longiceps wissenschaftliche beschrieben, diese kommen jedoch nur in Südostasien vor[13].

Sichtungen[]

Die folgenden Sichtungen wurden, neben vielen anderen, von Hyltén-Cavallius in seinem Buch gesammelt[2]:

  • Ein Johan Sedig berichtete von einem Lindorm auf einer Insel im See Läen, der fast 4m lang war, und haselnussgroße Augen ähnlich denen einer Aspisviper hatte.
  • 1844 wurde eine Gruppe Arbeiter auf einer Insel im Åsnen-See von einem Lindorm angegriffen, kam aber unverletzt davon. Am nächsten Tag war keine Spur mehr von der Schlange zu finden.
  • In den 1850ern soll eine Elna Olsdotter aus Skåne von einem Lindorm gefressen worden sein, als sie auf dem Weg zur Kirche unter einer Linde rastete. Nur ihr Seidenschal und ihr Gebetsbuch wurden von der Schlange verschmäht.
  • Ebenfalls in Skåne begegneten eine Mutter und ihre Tochter einem Lindorm, als sie nahe einer Linde Beeren pflückten. Die Schlange lebte in einem Loch in dem Baum, und als die Tochter entgegen der Warnungen der Mutter hineinfasste, wurde sie verschlungen.
  • 1862 wurde ein über 4m langer, schwarzer Lindorm von einem Petter Johanson gesichtet. Der Kopf soll über 20cm lang gewesen sein und Augen gehabt haben, die so groß waren wie die einer Kuh. Die gespaltene Zunge war so dick wie der kleine Finger eines Menschen. Am Hinterkopf hatte das Tier Borsten ähnlich einer Pferdemähne. Nach mehreren Versuchen, das Tier mit einem Pfahl aufzuspießen, floh Johanson vor Angst. Jedoch berichtete er selbst, vor und während der Begegnung eine nicht unerhebliche Menge Schnaps getrunken zu haben.
    • Johanson berichtet auch von Unteroffizier Dacke, einem anderen Augenzeugen, welcher auf das Tier geschossen haben soll, die Leiche am nächsten Tag jedoch nicht finden konnte.
  • Ein Johan Edvard Vallentin berichtet, er hätte (ebenfalls alkoholisiert) einen Lindorm gesehen und mit einem Stock geschlagen, damit das Tier aus dem Weg ginge. Als ihn das Tier daraufhin angriff verteidigte er sich mit dem Stock bis der Stock brach und das Tier sich unter einigen Felsen verkroch, wo er den Kopf der Schlange mit einem schweren Stein zertrümmerte.

Moderne Forschungen[]

Weitere Sichtungen wurden auch nach Hyltén-Cavallius' Tod gemacht. Nachdem das Thema in den 1980ern vom Folkloristen Jan-Öjvind Svahn in einer Fernseh-Sendung erwähnt wurde, erhielt dieser zahlreiche Schilderungen von Augenzeugen-Berichten[3]. Hier wurde das Tier meist nicht als Lindorm, sondern als Seemonster bezeichnet, ähnlich dem Ungeheuer von Loch Ness oder dem Lagarfljótwurm[14].

Dem Kryptozoologen Dale Drinnon wurde von einem Augenzeugen ein Landstrich in Schweden gezeigt, welcher dort als Lindorm Land bekannt sein soll. Das Gebiet soll regelmäßig von migrierenden Aalen besucht worden sein, welche auch einige Meter über Land kriechen können. Möglicherweise sind diese für die Sichtungen von Lindorms verantwortlich. Dafür spricht, dass der Kamm bzw. die Mähne mancher Berichte auf den Flossensäumen der Aale basieren könnte[14].

Quellen[]

  1. M. Jägerbrand (2010), Tanums hällristningar – guidebok till världsarvets sevärdheter, Virvelvind Förlag, ISBN 9789197533164
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 Gunnar Olof Hyltén-Cavallius (1884), Om draken eller lindormen: Mémoire till Kongl. Vetenskaps-akademien, Nabu Press (2010), ISBN 978-1149222140
  3. 3,0 3,1 3,2 Thomas Malm (2020), Datei:A Footnote to Scandinavian Herpetology.pdf, Bibliotheca Herpetologica, Vol. 14(1): 1-11
  4. Sigfridus Aronus Forsius (1611), Physica, Lundequist (1952)
  5. Fredrik Adam Smitt (1884), Brief an G. O. Hyltén-Cavallius, 11. Januar 1884, Gunnar Olof Hyltén-Cavallius Sammlung (L26:9a), Königliche Bibliothek zu Stockholm, 2 p.
  6. Daniel Georg Lindhagen (1884), Brief an Gunnar Olof Hyltén-Cavallius, 1. Februar 1884, Gunnar Olof Hyltén-Cavallius Sammlung, (L26:9a), Königliche Bibliothek zu Stockholm, 3 p.
  7. George Stephens (1884), Brief an G. O. Hyltén-Cavallius, 17. Mai 1884, Gunnar Olof Hyltén-Cavallius Sammlung (L26:9a), Königliche Bibliothek zu Stockholm, 3 p.
  8. Jan-Öjvind Swahn (1989), En folklorist tittar på Storsjöodjuret, Jämtlands läns museum (1990)
  9. Lindormen är funnen och förevisad i Wexiö, Smålandsposten (26. Juli 1884)
  10. Hjalmar Mosén (1885), Ormhistorier, Berling
  11. Jens Nielsen Kamp (1877), Danske Folkeminder, R. Nielsens Forlag
  12. Eva Wigstrøm (1880), Folkdigtning i Skåne, Vol. II
  13. Evan Seng Huat Quah, Larry Lee Grismer, M. S. Shahrul Anuar (2023), Observations and description of a rare escape mechanism in a snake: Cartwheeling in Pseudorabdion longiceps (Cantor, 1847) (Squamata, Colubridea), Biotropica, https://doi.org/10.1111/btp.13213
  14. 14,0 14,1 Richard Svensson (2010), Viking Serpents: The mystery dragons of Sweden - from Norse sagas to modern sightings, Fortean Times
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