Drachen Wiki
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Mann-im-Baum Psalter

Darstellung des Gleichnisses in einem griechischen Psalter, 13. Jahrhundert

Das Gleichnis vom Mann im Brunnen ist ein Gleichnis, das der heilige Barlaam im mittelalterlichen Roman Barlaam und Josaphat (um 1000) erzählt. Auch in der Gesta Romanorum (14. Jahrhundert) kommt die Geschichte vor[1][2].

Hintergrund[]

Mubarak Mann im Brunnen

Darstellung von Abu al-Fazl ibn Mubarak, Mogulreich, 16. Jahrhundert

Barlaam und Josaphat ist ein byzantinischer Roman, der um das Jahr 1000 enstanden ist. Er handelt vom indischen Prinzen Josaphat, der durch den Einsiedler Barlaam zum Christentum bekehrt wird. Die Handlung basiert auf der buddhistischen Ursprungslegende von Siddhartha Gautama, die über manächistische und muslimische Quellen nach Georgien und Griechenland gelangte. Im Laufe des der christlichen Version erzählt Barlaam Josaphat mehrere Gleichnisse, um ihn über das Christentum zu belehren. Eines dieser Gleichnisse ist das vom Mann im Brunnen[3].

Die Erzählung vom Mann im Brunnen selbst geht ebenfalls auf indische Quellen wie das Mahabharata zurück. Ähnlich ist die im 11. Jahrhundert vom Sufi-Mystiker Abū l-Hasan ʿAlī ibn ʿUthmān Hudschwīrī (990 - 1071/1077) erwähnte Geschichte um Abú Ḥamza al-Khurásání. Dieser fällt in eine Grube, und Gott sendet einen Drachen, um ihn zu retten. In der Geschichte überlegt al-Khurasani, ob er vorhandene Rettungsversuche annehmen soll oder warten soll, dass Gott ihn rettet. Dabei kommt die philosophische Frage auf, ob Gott nicht die früheren Rettungsmöglichkeiten geschickt hat[4][5]. Diese Version zeigt auch Parallelen zur Sage von der Drachenhöhle und zu einem modernen Witz. In diesem Witz sitzt ein Mann während einer Überschwemmung auf einem Dach fest und lehnt alle Rettungsversuche durch Boote, Helikopter usw. mit den Worten "Gott wird mit retten" ab. Schließlich beklagt er sich bei Gott, da dieser ihn nicht gerettet hatt, und Gott antwortet, er hätte ihm doch mehrere Boote und Helikopter geschickt[6].

Der Mann im Brunnen[]

BarlaamInkunabel

Darstellung aus dem 15. Jahrhundert

Barlaam erzählt, dass ein Mann vor einem Einhorn (in manchen Versionen ein Löwe oder Kamel) floh und dabei in einen Brunnen oder Abgrund sprang. Dort konnte er sich gerade noch an einem Baum festhalten, doch er erblickte eine weiße und eine schwarze Maus, die an den Wurzeln des Baumes nagten. Unter sich erblickte er einen Drachen. Doch als er Honig vom Baum tropfen sah, vergaß er seine Angst vor den Gefahren und aß den Honig[3].

Deutung[]

Gemäß einer christlichen Deutung symbolisiert das Einhorn den Tod, vor dem alle Menschen fliehen. Der Drache symbolisiert die Hölle oder den Teufel. Der Honig steht für die weltlichen Freuden, die einen Menschen davon abhalten können, sich um sein Seelenheil zu kümmern und ihn so in die Arme des Teufels treiben können[3].

Der persische Poet Abu'l-Ma'ali Nasrallah interpretiert jedoch den Brunnen als die Welt, welche mit Unglück gefüllt ist. Die beiden Mäuse sind Tag und Nacht, deren ständiger Wechsel die verbleibende Lebenszeit der Menschen immer weiter kürzt. In der von ihm zitierten Version finden die Füße des Mannes Halt auf vier Schlangen, die er als die Vier Säfte interpretiert, die den Menschen im Gleichgewicht am Leben halten, im Ungleichgewicht aber tödlich werden. Der Drache ist der unausweichliche Tod, und der Honig symbolisiert weltliche Freuden, die nicht von Dauer sind[7].

Bildliche Darstellung[]

Barlaam-Mann-im-Baum

Darstellung aus dem 13. Jahrhundert

Darstellungen des Gleichnisses waren im europäischen Mittelalter häufig. Der byzantinische Dichter Manuel Philes (ca. 1280-1350) beschreibt in seinen Epigrammen Darstellungen des Mannes im Baum. Solche Darstellungen sind nicht nur in Ausgaben des Romans häufig, sondern auch in mittelalterlichen Psaltern als Illustration zu Psalm 143.

"Und mein Geist ist in mir geängstet, mein Herz ist erstarrt in meinem Leibe"
―Psalm 143:4

In der Populärkultur[]

  • Friedrich Rückert adaptierte das Gleichnis mit seinem Gedicht "Es ging ein Mann im Syrerland".

Quellen[]

  1. Von der ewigen Verdammniß in Dr. Johann Georg Theodor Gräße (1905), Gesta Romanorum, Zweite Hälfte, Richard Löffler, S. 95-96
  2. OF ETERNAL CONDEMNATION in Charles Swan (1844), Tales from the Gesta Romanorum, Routledge (1905), S. 348-349
  3. 3,0 3,1 3,2 Wolfgang Stammler (1937), Barlaam und Josaphat in Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte 1, C.H. Beck (1983), ISBN 978-3-406-14001-3
  4. Reynold A. Nicholson (1911), The Kashf al-mahjúb: The oldest Persian treatise on Súfiism, Vol. XVII, Brill, S. 146
  5. The Dragon as a Symbol of Transformation in Sara Kuehn (2011), The Dragon in Medieval East Christian and Islamic Art, Brill, S. 195-204, ISBN 9789004186637
  6. Das Hochwasser, Recordare
  7. Bernard O'Kane (2003), Early Persian Painting: Kalila and Dimna Manuscripts of the Late Fourteenth Century, American University in Cairo Press, ISBN 9789774247545
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